Unmut in Berlin über EU-Jobs

Kreise sehen stille Rache Junckers an Kanzlerin Merkel, die parteiintern selbst in die Kritik gerät.

Die deutsche Presse reagiert auf die auch für Berlin überraschende Verteilung der Kommissare milder als erwartet: Das größte und wirtschafts-stärkste Land wurde von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit der schmalen Kompetenz für Digitales abgefunden, die formal nicht einmal bei der EU, sondern den Ländern liegt. Dafür macht er den zuletzt Hauptverantwortlichen für das Dauer-Überschreiten der Defizit-Grenzen Frankreichs, Pierre Moscovici, zum Aufpasser darüber.

Enttäuschung oder Empörung blieben in deutschen Meiden aber weitgehend aus: Nur die Zeit titelte: "Affront für Merkel", und das Handelsblatt: "Großer Unmut über Junckers Ohrfeige für Merkel". Ansonsten gab es vorsichtige Zustimmung bis milde Ironie: Für Juncker könne "nur jemand Gärtner sein, der vorher Bock war", witzelte die FAZ über Moscovici und den britischen Banken-Lobbyisten Jonatan Hill als neuen Finanzaufseher. Dass der Deutsche Günther Oettinger zugab, vom Digitalen "keine Ahnung" zu haben, sei nicht schlimm, er habe das vor seiner Brüsseler Zeit auch nicht von Englisch gehabt, so ein anderes Blatt ironisch.

"Erniedrigung"

Anders die Berliner Politik: Da herrscht Wut über Juncker – und die Kanzlerin. Vor allem in Unionskreisen: Sie habe sich nach dem EU-Gipfel zum Spitzenpersonal Ende August, abgelenkt durch die Ukraine-Krise, nicht mehr darum gekümmert. Damit sei der Einfluss von Frankreichs Präsidenten François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi, beide notorische Defizitsünder, gewachsen, lautet der Vorwurf. Oettingers Position sei eine "Erniedrigung Deutschlands", so Stimmen in der Union. Sie sei die Rache Junckers an Merkel, die ihn als EU-Kommissionschef fast bis zuletzt hatte verhindern wollen. Sie selbst reagierte auf diese Kritik bisher nicht.

Unverständnis über die Niederlage herrscht auch im SPD-geführten Außenministerium: Dort lässt man die Begründung des Kanzleramts nicht gelten, dass Merkel die Nominierung Oettingers ja mit SPD-Chef Gabriel abgesprochen hatte: Der gilt im Hause Frank-Walter Steinmeier als zumindest EU-unkundig. Im Außenministerium sieht man den deutschen Machtverlust durch den starken Juncker und drängt darauf, dass zumindest Moscovici ein deutscher Generaldirektor zur Seite gestellt wird. Moscovici kündigte derweil an, er werde Deutsch lernen.

Mit Neid blickt man in Berlin auf Österreichs Gio Hahn: Der ist nun nicht nur Erweiterungskommissar, sondern auch einziger Stellvertreter der umstrittenen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini aus Italien.

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