Kohl und Genscher wussten, wie langfristig gefährlich Russland ist

15. Juli 1990: Der damalige deutsche Kanzler Kohl mit Außenminister Genscher im Gästehaus von Gorbatschow
Regierungsakten, die erst jetzt veröffentlicht werden durften, zeigen warum Deutschland 1991 gegen die NATO-Osterweiterung war.

Deutsche Regierungsakten aus dem Jahr 1991, die jetzt erst freigegeben werden durften und die der Spiegel einsehen konnte, zeigen, dass die Regierung von Helmut Kohl eine NATO-Osterweiterung und die Unabhängigkeit der Ukraine aus Rücksicht auf Moskau damals unbedingt verhindern wollte.

Kanzler Helmut Kohl von der CDU und Außenminister Hans-Dietrich Genscher von der FDP hatten mit Michail Gorbatschow die deutsche Wiedervereinigung ausgehandelt, einen kompletten Untergang des Sowjetimperiums hielten sie aber für eine geopolitische „Katastrophe“. Kohl machte deshalb Stimmung im Westen gegen eine Unabhängigkeit der baltischen Staaten und der Ukraine. Allerdings waren dann die Deutschen doch das erste Land der damaligen EG, das die Ukraine als Staat anerkannte, weil die Volksabstimmung dort mit 90 Prozent für die Unabhängigkeit ausgegangen war.

Dennoch versuchten Kohl und Genscher, den Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts den Weg in die NATO zu verstellen. Freundlich, aber bestimmt nahmen sie Rücksicht auf die Befindlichkeiten in Moskau. Denn russische Soldaten standen damals noch in Ostdeutschland.

Undankbare Bruderländer

Der deutsche Botschafter in Moskau kabelte 1991 etwa, es entstünde ein „brisantes Gemisch“ aus „Bedrohungsperzeption, Isolationsangst und Frustration über die Undankbarkeit der ehemaligen Bruderländer“.

Kohl und Genscher waren dem inzwischen von Boris Jelzin abgelösten Michail Gorbatschow dankbar, dass er den Untergang der DDR ohne Blutvergießen hingenommen hatte. Diese historisch gebildeten Politiker wussten allerdings immer, dass man den „russischen Bären“ nicht reizen dürfe.

Der damalige Außenminister Eduard Schewardnadse prophezeite Genscher im August 1991 laut Spiegel: Sollte die Sowjetunion zerfallen, könnte eines Tages in Russland ein „faschistischer Führer“ auftreten, der die Rückgabe der Krim und der Ukraine verlange.

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