Klimagipfel in Paris: "Shall" oder "Should": Wie ein Wort fast einen Eklat auslöste

Jeder Buchstabe ist bei so einem Abkommen entscheidend.
Obama lobt "historisches" Abkommen. Was der Vertrag für wen bedeutet und wie internationale Medien urteilen.

Ein Wort hätte die kunstvoll ausbalancierte Architektur des UN-Klimaabkommens am Ende fast noch ins Wanken gebracht: Unmittelbar vor der dann erfolgreichen Abschlussberatung brach am Samstagabend plötzlich noch einmal Hektik aus - und Delegierte und Beobachter fragten sich, warum Frankreichs Außenminister Laurent Fabius die Sitzung nicht endlich eröffnete.

Der Hintergrund war, neben einigen anderen weniger bedeutsamen Ungereimtheiten, die Frage von "shall" und "should". "Entwickelte Länder sollen weiterhin die Führung übernehmen bei die gesamte Wirtschaft betreffenden Zielen zur Senkung der Emissionswerte", hieß es in dem den Delegierten vorliegenden Text. Dort hätte aber "sollten" stehen müssen, reklamierte die US-Delegation. Im Deutschen nur ein Buchstabe, aber ein wichtiger rechtlicher Unterschied.

"Shall" (sollen) wäre eine bindende Verpflichtung, die für das ganze Abkommen eine Ratifizierungpflicht durch den US-Kongress auslösen könnte, wo das Klimaabkommen so gut wie sicher an der Mehrheit der Republikaner scheitern würde. "Should" (sollten) ist dagegen eine weniger verbindliche Aufforderung. Genau deswegen hätte eine Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern an dieser Stelle tatsächlich lieber "shall" gehabt - wollte daran dann aber das Abkommen doch nicht scheitern lassen.

Klimavertrag steht - die Erde erhält noch eine Chance

Faymann: "Erfreut"

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigt sich am Sonntag "erfreut" über die Einigung in Paris. Unumstritten sei nun auch die Zielsetzung, aus der Nutzung fossiler Energieträger auszusteigen. Das hatte Faymann bereits bei der Eröffnung der COP21 Konferenz vor zwei Wochen als wichtiges Signal gefordert. "Österreich hält weiterhin an dem ehrgeizigen Ziel fest, den Anteil der erneuerbaren Energie bei der Stromproduktion bis zum Jahr 2030 auf 100 Prozent zu steigern", bekräftigte der Bundeskanzler. "Atomenergie kein Mittel zur Erreichung der Klimaziele."

Obama: "Wendepunkt für die Welt"

Klimagipfel in Paris: "Shall" oder "Should": Wie ein Wort fast einen Eklat auslöste
epa05067024 US President Barack Obama makes a statement on the climate agreement in the Cabinet Room of the White House, in Washington, DC, USA, on 12 December 2015, after the adoption of the COP21 final agreement at the plenary session room at the World Climate Change Conference 2015 (COP21) in France. The 21st Conference of the Parties (COP21) was held in Paris from 30 November to 12 December. EPA/Dennis Brack / POOL
US-Präsident Barack Obama hat das Klimaschutzabkommen von Paris als "stark" und "historisch" begrüßt. Das Abkommen könne ein "Wendepunkt für die Welt" sein, sagte Obama am Samstag im Weißen Haus in Washington. Die Übereinkunft lege den nötigen Rahmen zur Beilegung der Klimakrise fest.

Was würde der Klimaschutz langfristig bedeuten?

Deutschland: Als reiches Industrieland soll Deutschland laut Vertrag beim Klimaschutz vorangehen. Gerade nach dem offensiven Auftreten der Bundesregierung in den Verhandlungen fordern Opposition und Umweltschützer, dass Berlin jetzt die Energiewende forciert und schnellstens den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle-Stromproduktion einleitet. Um die Klimaziele für 2030 zu erreichen, müsse bis dahin mehr als die Hälfte der Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, so die Denkfabrik Agora Energiewende.

Golfstaaten: Für die Ölproduzenten am Arabischen Golf ist der notwendige Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ein heftiger Einschnitt, der ihr gesamtes Wirtschaftsmodell infrage stellt. Die Wüstenstaaten müssen versuchen, sich rechtzeitig neue Einkommensquellen zu schaffen.

Pazifik-Inseln: Für die kleinen Inselstaaten ist das im Abkommen erwähnte 1,5-Grad-Ziel ein Hoffnungsschimmer. Sie konnten die Konferenz nutzen, um ihre Angst vor dem Untergang deutlich zu machen. Doch die Gefahr ist längst nicht gebannt, die 1,5 Grad sind extrem schwer zu schaffen - die Inseln müssen sich deshalb auch auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten.

Investoren: Großanleger wie Pensionsfonds oder Versicherungen denken zunehmend darüber nach, ob sich Investitionen in Öl, Kohle und Gas künftig noch genug rentieren. Wenn die Staaten Ernst machen mit dem Klimaschutz, dürfte sich dieser Trend verstärken. Zugleich könnte das Klimaabkommen Investitionen in erneuerbare Energien neuen Schwung geben.

Indien: Als Entwicklungsland darf Indien sich zwar noch Zeit lassen, bis es seine Emissionen drosselt. Trotzdem wird Klimaschutz für den Riesenstaat eine gewaltige Aufgabe. Denn gleichzeitig muss Indien seine Wirtschaft weiter ausbauen - denn ein Fünftel der Inder lebt noch in Armut, noch immer haben 300 Millionen Menschen keinen Strom. Allerdings kann das Land nun auf Unterstützung aus den Industriestaaten setzen, um beispielsweise künftigen Energiehunger aus sauberen Quellen zu stillen.

Kommentare der internationalen Presse

Die Einigung beim Klima-Gipfel in Paris war am Sonntag das Thema zahlreicher Zeitungskommentare. Ein Auswahl:

"Neue Zürcher Zeitung am Sonntag" (Zürich): "Statt fixer Zahlen und starrer Vorgaben, welche die Klimapolitik bisher prägten, bringt Paris einen Wechsel zu positiven Anreizen, um den CO2-Ausstoß zu senken. Der Wirtschaft kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Schwenkt sie zunehmend auf alternative Energien um, wird die Verbrennung fossiler Energieträger sinken. Dann folgen die Investoren, die kein Geld mehr für die Kohle- und die Erdölproduktion zur Verfügung stellen werden. Die Rolle des Staates beschränkt sich darauf, Rahmenbedingungen zu definieren und etwa Subventionen für Benzin zu streichen. Dieser Prozess lässt sich seit einiger Zeit beobachten und könnte rasch an Fahrt gewinnen. So kann Klimapolitik funktionieren."

"Le Monde" (Frankreich): "Auf dem Klimagipfel stand die Kohle im Mittelpunkt der Kritik, und nicht das Erdöl. Das liegt zweifellos daran, dass man noch keine wirkliche Alternative zum guten alten Explosionsmotor gefunden hat. Erdöl bleibt die wichtigste Energiequelle, und Umweltschützer kritisieren, dass es viermal so viel Subventionen erhält wie erneuerbare Energien. Für Umweltschützer ist die Sache klar: Will man den Temperaturanstieg unseres Planeten auf zwei Grad begrenzen, muss man 80 Prozent der fossilen Brennstoffe im Boden lassen. Das ist sehr viel Erdöl. Doch wer will schon eine derart radikale Energiewende in die Wege leiten?"

"Dernieres Nouvelles d'Alsace" (Straßburg): "Dieses Abkommen muss jetzt mit Leben erfüllt werden. Kaum vorstellbar, dass Länder wie China oder Indien, geschweige denn die USA, ihre unstillbare Gier nach fossilen Brennstoffen beschränken werden. Die schwersten Aufgaben stehen noch bevor. Das Abkommen bietet keine Garantie dafür, dass hier und da auf der Welt gegen Wirtschaftswachstum und für den Kampf gegen die Erderwärmung entschieden werden muss, um die eingegangenen Klima-Verpflichtungen einzuhalten. Doch das Abkommen ist ein Anfang, und das ist zu begrüßen."

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