Klimavertrag steht: Die Erde erhält noch eine Chance

Im Idealfall soll sich die Erde bis 2100 nur um 1,5 Grad erwärmen.
Samstagabend schafften die Delegierten von 196 Staaten den historischen Durchbruch.

Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es eine Einigung auf einen weltweit gültigen, verbindlichen Vertrag zum Schutz vor der globalen Erwärmung.

Beim 21. UN-Klimagipfel in Paris haben die Delegierten der Regierungen von 196 Staaten umfassende Maßnahmen gegen die Erderwärmung beschlossen. Diese werden bis zum Ende dieses Jahrhunderts für jeden Menschen spürbare Auswirkungen haben. Zentrales Element des Pariser Abkommens ist ein nahezu vollständiger Ausstieg aller Volkswirtschaften aus den fossilen Energieträgern (Öl, Gas, Kohle) bis zum Jahr 2050.

Lesen Sie dazu: Die Eckpunkte des Klima-Gipfels

Angekündigte Revolutionen finden manchmal eben doch statt.

Klimavertrag steht: Die Erde erhält noch eine Chance
Foreign Affairs Minister and President-designate of COP21 Laurent Fabius (L) waves the official gavel of the COP 21 Climate Conference, as France's President Francois Hollande looks on, after adoption of a historic global warming pact at the COP21 Climate Conference in Le Bourget, north of Paris, on December 12, 2015. Envoys from 195 nations on December 12 adopted to cheers and tears a historic accord to stop global warming, which threatens humanity with rising seas and worsening droughts, floods and storms. AFP PHOTO / FRANCOIS GUILLOT

Der Klimavertrag ist zweifellos eine diplomatische Meisterleistung und ein juristisches Meisterwerk. Verantwortlich dafür zeichnet allen voran die französische Regierung und der Vorsitzende des Klimagipfels, Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, der mit einer Armada an Diplomaten, Unterhändlern und Fachexperten diesen Gipfelbeschluss über vier Jahre vorbereitet hat.

In der entscheidenden Sitzung zitierte Fabius den inzwischen verstorbenen südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela, der 2011 bei der Klimakonferenz in Durban die Delegierten mahnte: „Es scheint immer unmöglich zu sein – bis es vollbracht ist.“

Sogar UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte die Verhandlungen als die kompliziertesten und schwierigsten seiner Karriere bezeichnet. Die Franzosen schafften den Durchbruch dank ihrer stillen Diplomatie und durch zahlreiche bilaterale Gespräche vor und während des Gipfels, um so gegensätzliche Standpunkte wie jene von Öl- und Inselstaaten zu vereinen.

Um das zu erreichen, musste Fabius jedes politische Atout ausspielen, das ihm zur Verfügung stand. Selbst US-Präsident Barack Obama hat auf Bitten der Franzosen persönlich bei der chinesischen Staatsführung vermittelt – erfolgreich.

In den finalen Gipfelnächten auf Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag wurde jeweils bis in die frühen Morgenstunden, weit nach fünf Uhr Früh, verhandelt. Fabius wie auch zahlreiche andere Verhandler, auch jene aus Österreich, kamen in den letzten Tagen auf kaum mehr als zwei bis drei Stunden Schlaf.

Letzte Widerstände

Der finale Vertragstext wurde den Delegierten der 196 Vertragsstaaten Samstagnachmittag vorgelegt, und kurz vor 20 Uhr einstimmig angenommen. Widerstände kamen bis kurz vor dem Finale von Staaten aus allen Teilen der Welt:

China Die Chinesen beharrten darauf, dass im Vertrag deutlich zwischen den Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase () von Entwicklungsländern, zu denen China zählt, und den entwickelten Industriestaaten unterschieden wird.

Indien Die indischen Unterhändler pochten vor allem auf eine ausreichende Finanzierung des mit 100 Milliarden Dollar jährlich gefüllten Green Climate Fund.

ALBA-Gruppe Dieser Zusammenschluss von mittel- und südamerikanischen Staaten unter der Führung von Venezuela und Bolivien bescherten den Verhandlern wie schon bei den Klimagipfeln der vergangenen Jahre das größte Kopfzerbrechen. Sie beharrten auf massive Maßnahmen der Industriestaaten aufgrund ihrer „historischen Schuld“ an den Treibhausgasen und dem Klimawandel, waren aber selbst kaum zu Zugeständnissen zu bewegen.

Öl-Staaten Vor allem die Staaten am Golf, allen voran Saudi-Arabien, hatten immer am wenigsten Interesse an einem Klimaabkommen, bedeutet doch der Ausstieg aus Fossil-Energien das Ende ihrer schier unendlich scheinenden Einnahmequellen. Die OPEC-Staaten hatten allein 2013 rund 1100 Milliarden Dollar aus dem Erdölhandel lukriert.

AOSIS Die Allianz von 39 kleinen Inselstaaten im Pazifik und der Karibik waren die stärksten Verfechter eines wirkungsvollen Vertrags. Das 1,5°-Ziel (maximale Erderwärmung bis 2100 im Vergleich zu vorindustriellen Temperaturen) war für sie eine Grundbedingung für eine Zustimmung.

Allerdings bleibt offen, ob nach den Beschlüssen auch weitreichende Maßnahmen gesetzt werden, um die Erderwärmung doch noch in den Griff zu bekommen. Die Forscher des Weltklimarates hatten erklärt, dass die Erderwärmung maximal 2°C gegenüber vorindustriellen Temperaturen zunehmen darf. Andernfalls wären die Auswirkungen katastrophal und unkontrollierbar.

Oder wie es EU-Klima-Kommissar Miguel Arias Cañete formulierte: „Heute wollen wir feiern. Ab morgen müssen wir handeln.“

Kommentare