Kleiner Spalt in der Tür zum Westen

Die EU hob die Sanktionen gegen den Iran teilweise auf. Der KURIER erläutert die wichtigsten Konsequenzen.

Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit die Weltöffentlichkeit vom geheimen Atomprogramm des Iran erfahren hat. Nach Jahren erfolgloser Verhandlungen und wiederholt verschärfter Wirtschaftssanktionen gegen das Land ist an diesem Montag erstmals ein Abkommen in Kraft getreten, das den Konflikt entschärft. Der KURIER gibt Antwort auf die wichtigsten Fragen dazu.

Welches Abkommen wurde geschlossen?

Die Genfer Vereinbarung wurde zwischen dem Iran und der sogenannten 5-plus-1-Gruppe geschlossen: Also den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrates ergänzt durch Deutschland. Deutschland deshalb, weil es der wichtigste westliche Handelspartner des Iran ist. Diese Gruppe verhandelt seit 2006 mit dem Iran über dessen Atomprogramm. Der Vertrag ist ein Übergangs-Abkommen, das lediglich für sechs Monate gültig ist. Bis dahin soll eine endgültige Lösung im Streit um das Atomprogramm gefunden werden. Das Abkommen kann aber mehrmals um sechs Monate verlängert werden.

Welche Zugeständnisse macht der Iran?

Das Land wird die umstrittensten Teile seines Atomprogramms – also jene, die auch zum Bau einer Atombombe führen könnten – auf Eis legen. Neue Zentrifugen zur Anreicherung von radioaktivem Uran werden keine mehr in Betrieb genommen. Iran lagert nur mehr Uran, das maximal fünf Prozent radioaktiven Anteil hat. Das ist die Konzentration, die zur Herstellung von Brennstäben in einem AKW benötigt wird. Bereits vorhandene Lager von höher angereichertem Uran – es könnte dem Bombenbau dienen – werden verdünnt oder deaktiviert. Der Reaktor Arak, der Plutonium erzeugt (auch damit kann man Atomwaffen bauen), wird stillgelegt, ebenso die unterirdische Anlage Fordo, in der Uran ebenfalls angereichert wird, und die Teheran lange geheim gehalten hatte.

Welche Zugeständnisse macht der Westen?

Die USA, aber auch die EU, die ja beide bilaterale Sanktionen gegen den Iran aufrechterhalten, heben einen kleinen Teil dieser Maßnahmen auf. Die wichtigsten: Einnahmen, die der Iran in den vergangenen Jahren mit dem Verkauf von Öl und Gas erzielt hat, sind auf westlichen Bankkonten eingefroren, etwa 100 Milliarden US-Dollar. Etwas mehr als vier Milliarden davon werden schrittweise freigegeben.

Der Import von Medikamenten und Nahrungsmitteln kann wieder über iranische Banken abgewickelt werden. Auch Autos, Flugzeuge und Ersatzteile dafür dürfen wieder importiert werden. Iranische Öltanker können wieder von internationalen Versicherungen versichert werden, eine Grundvoraussetzung für den Ölexport.

Wo ist Irans Wirtschaft weiterhin blockiert?

In fast allen Bereichen. So darf der Iran sein Öl nur an jene sieben Staaten verkaufen, die jetzt schon seine Kunden sind, darunter Indien, die Türkei oder Malaysia. Ansonsten bleiben die Sanktionen im Energiesektor aufrecht. Auch der Verkauf von Maschinen für die Industrie ist von Ausnahmen abgesehen weiterhin verboten.

Wer überwacht die Einhaltung des Abkommens?

Die UN-Atombehörde IAEO hat ihre Inspektoren in den iranischen Atomanlagen. Sollte das Stilllegen nicht nach Plan laufen, wird der IAEO in Wien und dann der 5-plus-1-Gruppe Bericht erstattet. Die Erleichterung der Sanktionen würde umgehend rückgängig gemacht.

Zur Entspannung des mehr als zehnjährigen Atomstreits mit dem Iran haben die Europäische Union und die USA ihre Sanktionen gegen Teheran zurückgefahren. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag in Brüssel, die Strafmaßnahmen zunächst für sechs Monate zu lockern. Damit erfüllt die EU ihren Teil eines in Genf geschlossenen Abkommens zwischen dem Iran sowie den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland vom vergangenen November. Ölimporte in die EU bleiben weiter verboten.

Auch die US-Regierung bestätigte, dass der Iran seine ersten Verpflichtungen aus der Genfer Atom-Vereinbarung eingehalten habe. "Diese konkreten Aktionen sind ein großer Schritt vorwärts", hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses. Folglich werde mit der Lockerung von Sanktionen begonnen

Zuvor hatten Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA (IAEO) bestätigt, dass der Iran seinerseits Vorkehrungen zur Einhaltung des Abkommens getroffen habe. Dazu gehört, dass der Iran die Anreicherung von Uran über fünf Prozent hinaus aussetzt, einen Teil der Uranvorräte verdünnt und die IAEA-Kontrolleure ihre Arbeit machen lässt. Die Zugeständnisse beider Seiten sollen den Weg zu Verhandlungen über eine dauerhafte Beilegung des Atomstreits bereiten. Die westlichen Staaten verdächtigen den Iran, am Bau einer Atombombe zur arbeiten. Teheran bestreitet dies: Das Atomprogramm sei rein ziviler Natur.

Die EU suspendiert das Einfuhrverbot für petrochemische Produkte und erlaubt den Handel mit Gold und anderen Edelmetallen. Sie lockert auch die Beschränkung bei Finanztransaktionen und erlaubt wieder die Versicherung und den Transport von iranischem Rohöl nach China, Indien, Japan, Südkorea, Taiwan und in die Türkei.

Sechs Monate

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kündigte an, die Verhandlungen mit Teheran über das Atomprogramm sollten im Februar wieder aufgenommen werden. "In den nächsten sechs Monaten wird es entscheidend sein, die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen", sagte die Britin.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, hob hervor, dass der Iran erstmals in fast einem Jahrzehnt überprüfbar Maßnahmen ergriffen habe, sein Atomprogramm nicht weiter auszubauen und in wichtigen Teilen zurückzufahren. Das Regime in Teheran habe außerdem damit begonnen, der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA größeren Einblick in sein Atomprogramm zu gewähren.

Zugleich würden fortbestehende Sanktionen energisch durchgesetzt, fügte Carney hinzu - offensichtlich auch mit Blick auf Kritik an der Washingtoner Iran-Politik im eigenen Land. Die USA würden weiterhin einer "starken und disziplinierten Diplomatie" mit dem Ziel einer friedlichen Lösung des Atomstreits verpflichtet bleiben.

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