Kim kommt: Die mysteriösen Züge der Diktatoren

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un vor seinem grünen Zug.
Erkenntnis des Tages: Kommunistische Machthaber haben schon immer eine ganz besondere Liebesbeziehung zu ihren Zügen.

Der Gipfel von Donald Trump und Kim Jong-un rückt näher. Während der US-Präsident am Dienstagabend mit seiner Air Force One in Vietnam landete, war Kim bereits lange unterwegs. Der nordkoreanische Diktator erreichte nach zweieinhalb Tagen Reise im Zug seinen Endbahhof Hanoi. Das mag für den herkömmlichen Zugreisenden lang erscheinen, hat bei kommunistischen Staatsoberhäuptern und Politikern allerdings durchaus Tradition. Vom Panzer-Palast auf Rädern über die "bewegliche Front" bis hin zum geblümten Lieblingsbett - Züge scheinen so viel mehr zu sein als nur Züge.

Flugangst

Im Gegensatz zu Kim Jong-un, der nach Vietnam kam, um am Mittwoch zum zweiten Mal Trump zu treffen, litt sein Großvater Kim Il-sung unter massiver Flugangst. Deswegen absolvierte der verstorbene Langzeitdiktator sämtliche seiner Reisen mit dem Zug, der ein Geschenk Josef Stalins gewesen sein soll. Damit begann die offensichtlich immer noch andauernde Liebe der Kim-Familie zu Zugreisen. Die weiteste Reise, die der ehemalige Machthaber damit unternahm, umfasste 1984 alle sozialistischen Staaten Europas. Darunter auch Polen und die DDR.

Nordkoreas gepanzerte Staatszüge fahren aus Sicherheitsgründen in Dreier-Kolonne und lediglich mit einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde. Den Kims steht dabei ein teilweise privates Streckennnetz zur Verfügung, für das eigens 19 Bahnhöfe errichtet worden sind. Da weite Reisen auf diese Weise viel Zeit in Anspruch nehmen, verfügen die Züge über einen Spa, extravagante internationale Küche sowie Waffen und Luxuswagen für die Weiterfahrt. Zudem ist von den Hochsicherheitspalästen des Regimes zumeist ein direkter Zugang zu den Zügen möglich. Ein zentrales Planungselement also, das gleichsam Palast und Fortbewegungsmittel zu sein scheint.

Kim kommt: Die mysteriösen Züge der Diktatoren

Kim Jong-il winkt aus seinem Zug, am Ende eines Staatsbesuchs in Beijing 2010.

Bewegliche Front

Eine besondere Beziehung zu Zügen hatte auch der russische Revolutionär Leo Trotzki, der während des russischen Bürgerkrieges zweieinhalb Jahre seines Lebens in einem „fliegenden Verwaltungsapparat“ verbrachte, der sein "Privatleben untrennbar mit dem Leben des Zuges" verband. In seinen Memoiren widmet der Kommunist ein ganzes Kapitel "seinem" Zug.

Besonderen Wert legt Trotzki auf die Wirkung seiner Zugreisen im Krieg – und zwar nicht diejenige auf ihn, sondern die auf die Truppen der Roten Armee. Der psychologische Effekt sei nicht zu unterschätzen gewesen. So berichtet Trotzki, dass selbst die ausgelaugtesten Truppen noch mal alle Kraft aufgebracht hätten, sobald sie über den herannahenden Zug informiert worden seien. Jener sei so wertvoll gewesen wie eine Reservekompanie und habe gleichzeitig abschreckend auf die gegnerischen Truppen gewirkt. „Der mysteriöse Zug wirkte unendlich schlimmer, als er in Wirklichkeit war.“ Trotzki bezeichnete ihn sogar als "bewegliche Front".

Propaganda

Trotzkis Zeitgenosse Stalin reiste im Zweiten Weltkrieg nur ein einziges Mal an die Front, doch auch dort war das Vehikel der Wahl ein getarnter Zug. Der Historiker Anthony Beevor sieht darin ein Mittel mit propagandistischem Potenzial, das auch Trotzki auffiel: „Man kann nur annehmen, dass der einzige Zweck dieser Fahrt darin bestand, sich gegenüber Curchill und Roosevelt damit zu rühmen.“ Ein Effekt, der Machthabern wie Kim Jong-un sicher nicht unbekannt sein dürfte, zumal dessen eigener Zug einer ähnlichen Mystifizierung unterliegt wie schon der Leo Trotzkis.

Kim kommt: Die mysteriösen Züge der Diktatoren

Titos "Plavi voz", der blaue Zug.

Titos blauer Zug

Schließlich und endlich hat wohl niemand seinen „blauen Zug“ so sehr geliebt wie der jugoslawische Machthaber Josip Broz Tito. Von 1946 bis zu seinem Tod 1980 absolvierte er In- und Auslandsbesuche quer durch Europa im Plavi voz (serbokroatisch für blauer Zug). Ihm wird sogar nachgesagt, bereits in der Nacht vor einer Abreise dort genächtigt zu haben, auch das mit geblümter Bettwäsche bezogene Bett in seinem Waggon sei ihm lieber gewesen als das heimische.

In seiner rollenden Residenz empfing Tito eine Reihe von Staatsoberhäuptern, wie zum Beispiel Willy Brandt und Leonid Breschnew, aber auch Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi sowie Queen Elizabeth II, die einen ganzen Waggon zu ihrer persönlichen Verfügung gehabt haben soll. Im Übrigen verfügt auch die Queen über einen besonderen Zug, den "Royal Train", der als Bezeichnung für Sonderzüge des Königshauses 1842 von Queen Victoria initiiert wurde.

Da der genaue Ort für die Zusammenkunft von Trump und Kim bis dato nicht bekanntgegeben wurde, besteht sogar die Möglichkeit, den Gipfel im grünen Zug abzuhalten.

Kommentare