Rund 30 NATO-Friedenssoldaten im Nordkosovo verletzt
Bei Zusammenstößen mit Serben im Nordkosovo sind rund 30 Friedensschützer verletzt worden. Das teilte die NATO-geführte Kosovo-Schutztruppe KFOR Montagabend in einer Stellungnahme mit. Die KFOR hatte ihre Präsenz verstärkt und einen Protest militanter Serben gegen den Amtsantritt albanischer Bürgermeister in den mehrheitlich serbischen Gemeinden im Norden des Kosovo gewaltsam aufgelöst. Österreicher waren nicht betroffen.
"Bei der Bekämpfung der aktivsten Randgruppen der Menge wurden mehrere Soldaten des italienischen und ungarischen KFOR-Kontingents unprovoziert angegriffen und erlitten durch die Explosion von Brandbomben Verletzungen mit Knochenbrüchen und Verbrennungen", erklärte die KFOR. Diese Angriffe seien inakzeptabel: Die Truppe werde ihr Mandat weiterhin unparteiisch erfüllen, wurde KFOR-Kommandant Angelo Michele Ristuccia zitiert.
Das ungarische Verteidigungsministerium teilte mit, mehr als 20 ungarische KFOR-Soldaten seien verletzt worden, sieben von ihnen schwer. Nach Angaben des italienischen Außenministers Antonio Tajani wurden insgesamt elf italienische KFOR-Soldaten verletzt, drei von ihnen schwer. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte, weitere Angriffe gegen die KFOR würden "nicht toleriert".
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic erklärte wiederum, 52 Serben seien verletzt worden, drei von ihnen schwer. Ein 50-Jähriger sei "durch zwei Schüsse von (ethnischen) albanischen Spezialkräften verletzt" worden, teilte er im Online-Netzwerk Facebook mit.
Österreich hat aktuell 273 Bundesheer-Soldaten im Einsatz bei der KFOR. Sie waren nicht unter den Verletzten, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der APA auf Anfrage mit. Das Außenministerium in Wien verurteilte die gewalttätigen Angriffe in einem Tweet "aufs Schärfste".
Die Staatspräsidentin des Kosovo, Vjosa Osmani, sprach am Montag auf Twitter davon, dass "serbische illegale Strukturen, die sich in kriminelle Banden verwandelt haben, die kosovarische Polizei, KFOR-Beamte und Journalisten angegriffen" hätten. Ministerpräsident Albin Kurti drückte nach einem Treffen mit den Botschaftern Deutschlands, Italiens, Frankreichs, der USA und Großbritanniens sowie der EU die gemeinsame Sorge über die Gewalt aus und verurteilte auf Twitter die Angriffe. Jeff Hovenier, US-Botschafter im Kosovo, rief am Montag auf Twitter zu einem sofortigen Stopp der Gewalt auf. Auch die NATO verurteilte am Montag die "unprovozierten Attacken" gegen die KFOR-Soldaten. "Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel", hieß es in einer Stellungnahme von Sprecherin Oana Lungescu auf Twitter.
In einer kontroversen Aktion meldete sich unterdessen auch der serbische Tennis-Champion Novak Djokovic zu den Spannungen zu Wort. "Der Kosovo ist das Herz Serbiens. Stoppt die Gewalt!", schrieb der 22-fache Grand-Slam-Sieger am Montag bei den French Open in Paris in serbischer Sprache auf die Linse einer Fernsehkamera.
Die Soldaten hatten am Montagnachmittag vor dem Gemeindeamt der Ortschaft Zvecan Blendgranaten und Tränengas eingesetzt. Die Menge bewarf sie wiederum mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen, berichteten örtliche Medien. Ein Serbe wurde durch Schüsse verletzt, teilte das Krankenhaus in der nahen Stadt Mitrovica mit. Weitere Serben sollen bei den Zusammenstößen leichte Verletzungen erlitten haben, sagten Augenzeugen.
Am Montag in der Früh hatten etwa 300 KFOR-Soldaten in Kampfmontur vor dem Gemeindeamt in Zvecan Stellung bezogen. Zugleich hatte sich auch eine größere Menge serbischer Demonstranten vor dem Amtsgebäude versammelt. Die KFOR-Truppe sollte anstelle der kosovarischen Sonderpolizei das Amtsgebäude sichern. Diese hatte sich am vergangenen Freitag Zugang zum Gemeindeamt verschafft, was schon damals gewalttätige Proteste militanter Serben ausgelöst hatte.
Am Freitag hatte die Polizei den neuen kosovo-albanischen Bürgermeister, der sein Amt antreten wollte, eskortiert. Serben hatten auch in zwei anderen Orten des Nord-Kosovo protestiert, wo ebenfalls albanische Bürgermeister die Amtsgeschäfte übernahmen. Serbiens Präsident Vucic versetzte daraufhin die Armee in "höchste Alarmbereitschaft" und entsandte Soldaten an die Grenze zum Kosovo.
Zur Eskalation am Montag kam es, als sich die serbische Menge in Zvecan weigerte, die dort noch stehenden Fahrzeuge der kosovarischen Polizei wegfahren zu lassen. Der KFOR-Trupp löste daraufhin die Versammlung auf. Die Demonstranten fordern den Abzug der kosovarischen Sicherheitskräfte aus der Region. Auch verlangen sie die Absetzung von der ethnisch-albanischen Bevölkerungsgruppe entstammenden Bürgermeistern in der mehrheitlich von ethnischen Serben bewohnten Region.
Die drei Bürgermeister waren im April gewählt worden, wobei fast alle Serben die Kommunalwahl boykottiert hatten. Deshalb kommen die Wahlsieger aus albanischen Parteien. Die bisherigen serbischen Bürgermeister hatten ihre Funktionen im November 2022 aus Protest gegen die Politik der kosovarischen Regierung niedergelegt.
Der kosovarische Ministerpräsident Kurti setzte in der vergangenen Woche die Bürgermeister ein und widersetzte sich damit den Forderungen der EU und der USA.
Westliche Länder sowie die NATO hatten das Vorgehen der kosovarischen Polizei am Freitag im Nord-Kosovo ungewöhnlich deutlich verurteilt. Am Montag bestätigte die KFOR in der Hauptstadt Prishtina die Verstärkung ihrer Präsenz im Norden. "Das Ziel ist es, ein sicheres Umfeld und Bewegungsfreiheit für alle Gemeinschaften im Kosovo zu schaffen", hieß es in einer Mitteilung.
Das 1,8-Millionen-Einwohner-Land Kosovo mit seiner mehrheitlich ethnisch-albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von Belgrad bis heute als serbische Provinz betrachtet. Rund 120.000 Serben leben im Kosovo.
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