Der zuständige Staatssekretär Damian Hinds sprach von einem "akuten und plötzlichen" Anstieg bei männlichen Gefängnisinsassen. Hinds lobte im parlamentarischen Kreuzverhör Erfolge im Kampf gegen Kriminalität und schob anderen den schwarzen Peter zu, etwa Strafverteidigern, deren Streiks zu einem Rückstau geführt hätten.
Andere warfen der Regierung aber fehlende Planung vor. "Sie ist in Panik", meinte die Vertretung der Gefängnisdirektoren. "Sie hatte genug Zeit und Vorwarnung, dass der Platz knapp wird". Kritiker tadelten auch die seit 2010 regierenden Tories für einen Sparkurs, der soziale Probleme verstärkt habe, während in den letzten Jahren Mindesthaftstrafen drakonisch verlängert und Entlassungsregeln verschärft wurden.
Nur der zu 2,5 Jahren verurteilte Boris Becker durfte aufgrund einer Sonderregel für straffällige Ausländer nach sieben Monaten Gefängnis und England verlassen – was die Gefängnismisere nun auch nicht lindert.
Die Labour-Opposition klagte an, die Tories hätten 10.000 Gefängnisplätze gestrichen. Der Anwalt und Autor Chris Daw fällte hingegen ein vernichtendes Urteil über Parteigrenzen hinweg: "Jahrzehntelang haben britische Regierungen Menschen immer länger eingesperrt, nur um ‚Härte gegen Kriminalität‘ zu demonstrieren."
Tatsächlich weist das Königreich unter westlichen Industrienationen oft nach den USA die meisten Strafgefangenen pro Kopf der Bevölkerung auf. Eurostat-Daten von 2016 fanden in England und Wales 144 Häftlinge pro 100.000 Einwohner. "Das war die achthöchste Rate in der EU und die höchste in Westeuropa", erklärte ein Bericht des britischen Parlaments Ende Oktober. "Die Gefängnispopulation in England und Wales vervierfachte sich zwischen 1900 und 2018; etwa die Hälfte dieses Anstiegs ist seit 1990 erfolgt". Auch Schottland und Nordirland haben deutliche Anstiege verzeichnet.
Die Zahl der Häftlinge in ganz Großbritannien betrug Ende November 82.839, bei einer Kapazität von 84.035. In einer Anstalt in Leeds ist diese mit einer Belegungsrate von 171 Prozent am weitesten überschritten.
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