Katarischer Dorn im Auge der Saudis

Der Sender revolutionierte die arabische Medienlandschaft – und ist auch im Westen umstritten.

"Der Iran möchte seine Beziehungen zu Doha mehr und mehr verbessern", soll Irans Staatsoberhaupt Hassan Rohani dem Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani, am Telefon gesagt haben. Damit gießt der Iran Öl ins Feuer der arabischen Krise – vor allem nach den 13 Forderungen, die Saudi-Arabien und drei andere Staaten an Katar gestellt haben. Darunter sind die Einstellung der diplomatischen Beziehungen zum Iran und auch die sofortige Schließung des Fernsehsenders Al Jazeera. Dieser ist den Scheichs aus Riad schon lange ein Dorn im Auge.

Kontroverse Sendungen

Als Katar den Sender im Jahr 1996 gründete, konnte der Zeitpunkt dafür kaum besser sein: Damals musste die britische BBC ihren arabischen Standort streichen, da das saudische Königshaus keine kritische Berichterstattung duldete. Prompt übernahm der junge Sender viele ehemalige BBC-Mitarbeiter und brachte damit westliche Expertise nach Katar – sehr zum Missfallen Riads.

Kontroverse Talkshows und Diskussionsrunden, die so gar nicht in das totalitäre Bild der meisten Golfstaaten passten, erhitzten zwar die Gemüter vieler konservativer Politiker und der Geistlichkeit, doch die Quoten von Al Jazeera stiegen rasch im arabischen Raum.

Schon damals war die Berichterstattung kritisch gegenüber dem saudischen Herrscherhaus eingestellt, während gegenüber Katar – ebenfalls ein wahabbitisches Königreich – die Kritik vollends ausblieb.

International für Aufmerksamkeit sorgte der Sender nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001: Die Terrororganisation El Kaida verbreitete über den Sender ihre Videobotschaften, was Al Jazeera den Ruf als "Terroristensender" einbrachte. Auch ein zunehmender Antisemitismus rief westliche Kritiker auf den Plan, beispielsweise bezeichnete Al Jazeera das Judentum "als stützende Kraft eines radikalen Zionismus".

Konkurrenz zu CNN

2006 gründete Katar den Tochtersender Al Jazeera English, der ein internationales Publikum erreichen und westlichen Sendern wie der BBC oder CNN Konkurrenz machen sollte. Der Erfolg des Senders war bemerkenswert, vor allem weil er sich auf Themengebiete konzentrierte, die von westlichen Sendern vernachlässigt wurden – beispielsweise die Unruhen in Burma und Malaysia 2007. Vor allem in der südlichen Hemisphäre konnte Al Jazeera English eine breite Zuseherschaft gewinnen und die anvisierten Ziele ums Doppelte übertreffen. Binnen kürzester Zeit erreichte er 80 Millionen Haushalte.

Der Durchbruch gelang dem Sender allerdings im "Arabischen Frühling": Bestens vernetzt und mit zahlreichen Regionalbüros konnte Al Jazeera den etablierten Sendern mit seiner Berichterstattung den Rang ablaufen – die auch für viel Kritik sorgte. Vor allem in Ägypten zeigte die oft wohlwollende Berichterstattung über die Moslembruderschaft deutlich, dass der Sender vor dem Einfluss katarischer Außenpolitik nicht gefeit war. Als der Moslembruder, Präsident Mohammed Mursi, 2013 von Ägyptens Militär gestürzt wurde, verbot dessen Nachfolger Al-Sisi Al Jazeera im Land.

Auch im syrischen Bürgerkrieg wird die politische Nähe des Senders zu seinem Heimatland deutlich: Die einzelnen Rebellengruppen werden häufig als homogene Masse dargestellt und die Einflüsse Katars auf dschihadistische Gruppierungen wie die Terrormiliz "Ahrar al-Sham" oft gänzlich verschwiegen.

Für die arabischen Staaten wäre eine Schließung von Al Jazeera English ein großer Sieg im Medienkrieg, der auf der arabischen Halbinsel tobt – denn dort ist der Sender unangefochtener Herrscher auf dem TV-Markt.

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