Merkel bezieht Stellung: "Seenotrettung ist Gebot der Humanität"
Die Hälfte der Pressekonferenz ist fast um, da kommen die persönlichen Fragen. Zum Beispiel wie es ihr geht? "Gut", sagt Angela Merkel. "Mit so vielen interessanten Fragen geht es mir gut. Ich bin auch gespannt auf die nächsten 45 Minuten." Gelächter.
Die Kanzlerin hält wie jeden Sommer ihre traditionelle Fragestunde vor der Hauptstadtpresse, Auslandsjournalisten mit eingeschlossen. Termine, die ihr vermutlich wenig behagen. Nichts ist planbar, alles ist möglich. Einige Fragen waren vorab absehbar: Etwa zu ihrer jüngsten Personalentscheidung, die auch für ihre Zukunft entscheidend sein könnte und der Debatte um ihren Gesundheitszustand.
Früher als sonst ist der Raum in der Bundespressekonferenz also voll; die Fotografen in der ersten Reihe positioniert, die Sitzplätze besetzt und die Luft stickig.
"Meinungsverschiedenheiten überbrücken"
Bevor sich Merkel den Fragen stellte, gibt sie ein Statement ab – an dessen Ende vor allem ein Spin verfangen sollte: Die Große Koalition ist noch nicht vorbei, sie stehe vor vielen Aufgaben und ist handlungsfähig – "obwohl wir große Meinungsverschiedenheiten überbrücken müssen". Das liege aber an der Natur der Sache, wenn drei Parteien miteinander arbeiten.
Auch sie selbst sei handlungsfähig, gefragt nach der Debatte um ihren Zustand. Die Fragen verstehe sie zwar, denn als Kanzlerin müsse man handlungsfähig sein. Aber: "Sie kennen mich", sagt die Kanzlerin Richtung Presse. "Ich kann diese Funktion ausüben." Als Mensch habe sie auch "ein hohes Interesse an meiner Gesundheit". Sie hoffe schließlich, dass es nach ihrer Amtszeit "ein weiteres Leben gibt und das würde ich auch gerne gesund weiterführen". Erneut betonte, sie dass sie 2021 nicht mehr antreten wird. Es ist das Datum ihres Ausscheidens, sollte alles normal verlaufen.
Chefinnensache Bundeswehr
Aber in der Politik ist das ja immer ungewiss. Zumal beide Parteien im Herbst wichtige Wahlen in Sachsen und Brandenburg bestreiten müssen. Zudem wollen sie eine Halbzeitbilanz ihrer gemeinsamen Arbeit ziehen. Ein entscheidendes Wort wird dabei ihre Wunschnachfolgerin an der CDU-Spitze haben: Annegret Kamp-Karrenbauer. Dass sie nun Verteidigungsministerin wurde und entgegen frührer Aussagen doch ins Kabinett aufrückt, überraschte Dienstagabend Beobachter und Parteikollegen. Was wohl weniger ein langer geplanter Coup als provisorische Entscheidung war: In einer Telefonschalte informierten Merkel und AKK Dienstagabend das CDU-Präsidium über den Wechsel.
Die offizielle Lesart: Das wichtige Ministerium soll Chefinnensache, ein großer Kabinettsumbau vermieden werden und die Regierung stabil sein. Die plausiblere Überlegung ist vermutlich eine andere: Kramp-Karrenbauer hat als Parteivorsitzende zuletzt unglücklich agiert, einige Fehler gemacht. Das Ministerium könnte ihr helfen, sich zu profilieren und zu beweisen. Damit wäre sie besser aufgestellt, sollte Merkel vorzeitig ihr Amt abgeben wollen. Natürlich könnte sie daran auch scheitern: Die Erneuerung der CDU und die Baustellen im Ministerium sind keine einfachen Aufgaben.
Angela Merkel sieht in dieser Vereinbarkeit jedenfalls kein Problem. Auch sie habe es einst so gehalten, dass ein Staatsamt und der Parteivorsitz vereinbar sind. Ob es nun für AKK zum Sprungbrett wird? Das Ressort sei sicher ein wichtiges und schwieriges, erklärt Merkel. Auf die Nachfolge nehme sie aber keinen Einfluss. „Das muss die Partei in Zukunft entscheiden“.
Die jüngere führt Merkel vorerst nicht in den Ruhestand, sondern in die Sommerpause. Wohin sie fährt, wollte sie nicht sagen. Nur so viel: „Ich bin immer im Dienst, wenn was ist und erreichbar.“
"Seenotrettung ist Gebot der Humanität"
Die Kanzlerin unterstützte zugleich den Anlauf von der Leyens, die Konstruktionsfehler bei den Dublin-Regeln für Asylverfahren in der EU zu beheben. Merkel bekräftigte, es könne nicht bei jedem Schiff mit Flüchtlingen erneut über eine Einzellösung verhandelt werden. Sie zeigte dennoch klare Kante: "Die Seenotrettung ist für uns nicht nur Verpflichtung, sondern sie ist ein Gebot der Humanität", sagte sie.
Sanktionen gegen EU-Länder, die bei der Aufnahme von Migranten bremsen, lehnt sie ab. Man brauche in der EU eine gemeinsame Lösung. "Immer mit der Keule in der Hand an den Verhandlungstisch zu gehen, hat sich nicht bewährt."
Auch die Mehrheitsentscheidung über den EU-Verteilungsmechanismus für Flüchtlinge habe die EU letztlich nicht vorangebracht, räumte sie mit Blick auf den Widerstand einiger osteuropäischer Länder ein. Sie setze vielmehr auf Bewegung in der Debatte, wenn man einen effektiven Außengrenzschutz in der EU etabliert habe.
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