Kandidat Valls - schneidig, aber ohne Charisma
Die Bemühungen der verschiedenen Strömungen und rivalisierenden Persönlichkeiten der französischen Linken, um ihre jeweilige Kandidatur für die in fünf Monaten anstehenden Präsidentenwahlen gleichen einem hoffnungslosen Trauerspiel. Aber nachdem jüngste Wahlergebnisse in Europa und anderswo alle Voraussagen Lügen gestraft haben, kann auch in Frankreich ein spätes Wunder nicht ausgeschlossen werden. So ein Mirakel hätte nicht zuletzt Manuel Valls nötig, der am Montag-Abend seine Kandidatur und damit auch seinen Rücktritt als Premierminister verkündete. Für die restliche Zeit bis zu den Präsidentenwahlen würde eine Art Interims-Premier an der Spitze der SP-Regierung amtieren. Valls gilt zwar als der eigentliche Sachwalter des Erbes von Präsident Francois Hollande (der bekanntlich nicht mehr antritt) und insofern auch als legitimster Vertreter der Sozialistischen Partei. Aber beides sind derzeit alles andere als Pluspunkte.
Feinde auf beiden Seiten
Dazu kommt, dass sich Valls sowohl mit dem Legitimisten-Flügel der Hollande-Getreuen angelegt hat, als auch zum absoluten Feindbild des linken SP-Flügels geworden ist. Die Hollande-Getreuen werfen ihm vor, er habe zum Schluss dem Staatschef seinen Verzicht auf seine Wiederkandidatur brutal aufgenötigt. Die Linken werfen Valls vor, er habe eine Unternehmerfreundliche Arbeitsmarkt-Reform gegen den monatelangen Widerstand der Gewerkschaften durchgepeitscht.
Auch sonst hat sich der vor 54 Jahren in Barcelona geborene Valls als rechtsliberaler Sozialdemokrat profiliert. So nützte er seine Teilnahme an einer Sicherheitskonferenz in München, um in der europäischen Flüchtlingsdebatte die CSU bei ihrer Kritik an Angela Merkel zu unterstützten: Die Einladung der deutschen Kanzlerin an die Flüchtlinge 2015 könne „schlussendlich die Grundlagen Europas erschüttern. Europa kann nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen“. Dabei mag sein persönliches Auftreten schneidig wirken, vielen erscheint er aber zu starr und ohne Charisma.
Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um die inner-sozialistischen Vorwahlen im Jänner zu gewinnen, bei denen Valls vor allem die Kandidatur des Ex-Finanzminister Arnaud Montebourg fürchten muss, einem wortgewaltigen aber etwas zu selbstverliebten linken Globalisierungskritiker.
Dreikampf der Linken
Aber selbst wenn Valls diese Vorwahlen gewinnen sollte, wird er sich anschließend das linke bis linksliberale Wählerpotential vor allem mit zwei weiteren, gewichtigen Kandidaten (die es abgelehnt haben an diesen Vorwahlen teilzunehmen) teilen müssen:
* der Ex-Finanzminister und Ex-Protegé von Hollande, Emmanuel Macron, der noch dezidierter als Valls, die staatlichen Regulierungsformen und Vorschriften aufbrechen möchte, gleichzeitig sehr pro-europäisch auftritt und das Verhältnis zum Islam viel entspannter als etwa Valls sieht. Macron wird von einem Teil der SP-Politiker aus dem Umkreis von Hollande bevorzugt.
* der Tribun Jean-Luc Melenchon, der die linksfundamentalistische und linksalternative Szene hinter sich versammelt, auch wenn er gelegentlich mit nationalistischen und autoritären Anwandlungen in diesem Milieu für Unbehagen sorgt.
Ein derartiger Dreikampf zwischen Valls, Macron und Melenchon im ersten Durchgang der Präsidentenwahlen würde voraussichtlich keinem von ihnen die Chance bieten, in die Stichwahl im Mai 2017 zu gelangen. Das Abschlussduell würde dann dem Konservativen Francois Fillon und der Nationalistin Marine Le Pen vorbehalten bleiben.
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