EU-Plan ist "militärischer Schnellschuss"

Verteidigungsexperten halten nichts vom bewaffneten Vorgehen gegen kriminelle Banden.

Die EU hat zahlreiche Pläne, wie Menschenschmugglern und Schlepperbanden das Handwerk gelegt werden könnte. Ein Vorschlag ist, Schlepperboote mithilfe von Waffen und Soldaten zu zerstören – auf Basis eines UNO-Mandates. So steht es auch in der Schlusserklärung des EU-Sondergipfels zum Flüchtlingsdrama im Mittelmeer (mehr zum Gipfel hier).

Kurz nach dem Treffen der EU-Granden in Brüssel hagelt es massive Kritik an diesen Vorschlägen. "Das ist eine dumme Husch-Pfusch-Aktion. Die EU will damit in einer tragischen Situation nur Aktivität vortäuschen", sagt Europa-Abgeordneter Josef Weidenholzer, Menschenrechtssprecher der Sozialdemokratischen Fraktion.

Hochrangige Militärs verschiedener Länder, mit denen der KURIER sprach, sind ebenfalls skeptisch, was das geplante Vorhaben der EU angeht. "Die Vorschläge beantworten nichts, sondern geben nur Fragen auf", erklärt ein General. "Auf Hoher See ist eine militärische Aktion gegen Schlepperboote, das übervoll mit Flüchtlingen beladen ist, nicht durchführbar."

Auch an der Küste und in Häfen wäre es sehr schwer möglich, ein Schlepperschiff von einem Fischkutter zu unterscheiden, betont der Berufssoldat. "Das wäre militärischer Aktionismus pur, die Pläne sind nichts anderes als militärische Schnellschüsse."

Druck auf Mogherini

Hintergrund der EU-Pläne ist der Druck betroffener Länder (Italien, Malta, Griechenland) auf EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini, rasch Lösungen zu präsentieren. Dabei wird vergessen, dass "Mare Nostrum", der italienische Rettungseinsatz zum Schutz der Flüchtlinge, mit seinen 900 Soldaten laut Experten „militärisch ineffizient“ war.

EU-Plan ist "militärischer Schnellschuss"
epa04716430 Federica Mogherini, High Representative of the European Union (EU) for Foreign Affairs and Security Policy, gives a joint press conference with Cuban Foreign Minister Bruno Rodriguez Parilla (not pictured) after a meeting at the European External Action Service (EEAS) building, near the European Commission headquarters in Brussels, Belgium, 22 April 2015. The Cuban Foreign Minister is on an official tour of Europe, which includes stops in Belgium, Luxembourg, France and the Netherlands. EPA/STEPHANIE LECOCQ
Ein französischer Verteidigungsexperte geht davon aus, dass der UN-Sicherheitsrat keinem Mandat für die Bekämpfung von Schleppern zustimmen würde. "Dafür braucht es Einstimmigkeit, die es dafür sicher nicht gibt." Frankreich würde so ein Mandat nicht unterstützen, heißt es in Paris.

Auch für einen eigenen EU-Einsatz gäbe es derzeit im Ministerrat "keine Einstimmigkeit", sagen EU-Diplomaten in Brüssel. Was die EU allerdings machen könnte, ist eine zivile Mission gegen Schlepper. Das heißt, ein Programm für den staatlichen und ökonomischen Wiederaufbau bestimmter Länder, wie etwa den Chaos-Staat Libyen. Denkbar wären auch wirtschaftliche Hilfsprogramme für die Herkunftsländer der Flüchtlinge. Auch eine viel engere Zusammenarbeit der Nachrichtendienste und der Kontrolle des Internets empfehlen Militärs.

Der Marine-Einsatz der EU gegen Piraten vor der Küste Somalias, wofür es ein UN-Mandat gibt, sei mit den Flüchtlingen nicht zu vergleichen. Das UN-Mandat gab es wegen der Bedrohung internationaler Handelsschiffe, die Piraten agierten schwer bewaffnet wie Paramilitärs.

EU-Affäre

Die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer seien eine EU-Angelegenheit und keine globale Affäre, argumentieren UNO-Diplomaten.

Klarheit, wie es mit der EU-Flüchtlings-, Asyl- und Migrationspolitik weitergehe, wird der EU-Gipfel im Juni zeigen. Die EU-Kommission wird dann eine neue Strategie ausarbeiten. "Das wird der Offenbarungseid der EU werden", heißt es dazu vonseiten der Hilfsorganisationen.

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