Kampf für Jobs und gegen Steuerbetrug

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann (l.), und ÖGB-Präsident Erich Foglar.
DGB-Chef Hoffmann und ÖGB-Präsident Foglar fordern mehr Investitionen.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, und ÖGB-Präsident Erich Foglar skizzieren ihre Pläne zur Krisenbewältigung in der EU.

KURIER: Ist das Ergebnis der US-Wahl nicht ein Alarmsignal für Sie als Interessensvertreter?

Reiner Hoffmann:Vertrauen in die europäische Integration ist verloren gegangen, das Problem Arbeitslosigkeit wurde nicht gelöst. Wir brauchen mehr nachhaltige Investitionen. Die Felder für eine sozialökologische Modernisierung der Volkswirtschaft sind riesig. Der im Prinzip richtige Ansatz von Junckers Investitionsplan ist nicht ambitioniert genug. Das liegt weniger an Juncker, als an den EU-Staaten, die ihn nicht unterstützen.

Erich Foglar: Menschen, die ihren Job verlieren, keine Perspektive sehen, weil ihnen die Ausbildung fehlt, fragen sich, wie es weiter geht. Bisherige Antworten auf diese Unsicherheiten brachten nichts, das Frustpotenzial wurde noch größer. Rechtspopulisten haben noch nicht bewiesen, dass sie es besser machen. Sie haben in der Wahl ihrer Mittel weniger Hemmschwellen, Hasspostings zeigen es. Und für alles sind andere schuld.

Hoffmann: Die Gefahr des Populismus ist groß. Nach Brexit und Trump-Wahl müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen, wie es weitergeht. Frankreich wählt im Mai, keiner kann ausschließen, dass der Front National stärkste Kraft wird. Dann ist der europäische Zusammenhalt massiv gefährdet. Deswegen brauchen wir deutliche Antworten auf die Sorgen der Menschen: Die zunehmende Ungleichheit muss dringend angegangen werden. Europa muss zeigen, dass es beim Steuerbetrug handelt. Jährlich gehen 1000 Milliarden Euro aufgrund von Steuerschlupflöchern und Steuerflucht verloren. Die Mitgliedsstaaten sind nicht bereit zu akzeptieren, dass sie Verantwortung für die Stabilisierung und Weiterentwicklung der europäischen Integration tragen. Wir brauchen jetzt ein beherztes pro-europäisches Handeln für mehr Wachstum und Investitionen, mehr Jobs und weniger soziale Ungleichheit.

Wie soll das erreicht werden?

Kampf für Jobs und gegen Steuerbetrug
Foglar:Nicht mit dem Maastricht-Defizit-Fetischismus. Wir fordern seit Jahren, dass öffentliche Zukunftsinvestitionen nicht für das Defizit angerechnet werden. Auf Betreiben der Gewerkschaft hat Österreich ein Lohn- und Sozialdumping-Gesetz. Diese Regelung macht an unserer Grenze Halt. Das Lohn-, Sozial- und Steuerdumping ist derzeit unser größtes Problem. Die vier Freiheiten des Binnenmarktes dürfen nicht länger dafür missbraucht werden. Der Wachstums- und Stabilitätspakt gehört gelockert. Es ist verantwortungslos, wenn die Kommission Strafen erwägt, wenn das Defizitkriterium verfehlt wird.

Sie kritisieren die Freihandelsabkommen. Warum?

Hoffmann: Gewerkschaften sind grundsätzlich nicht gegen internationalen Handel. Handel ist ein Treiber der Globalisierung. Aber die Wohlfahrtsgewinne werden immer ungleicher verteilt. Deshalb brauchen wir faire Regeln. In der EU sind wir weiter. Der Binnenmarkt ist keine neoliberale Freihandelszone, wir haben einen Acquis sociale, der versucht, bei der Entsendung von Arbeitnehmern gleichen Lohn zu schaffen. Bei den Freihandelsverträgen sind Fehler gemacht worden: Menschen wollen nicht, dass private Schiedsgerichte in die nationale Politik und Rechtssprechung eingreifen und ihre öffentliche Daseinsvorsorge regulieren. Zu moderner Handelspolitik gehören auch Rechte der Investoren und ein Schutz von Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards. Öffentliche Daseinsvorsorge, die in Europa einen hohen Stellenwert hat, muss vor unkontrollierter Marktöffnung geschützt werden. Bei CETA hat es Fortschritte mit der linksliberalen kanadischen Regierung gegeben. Sie hätten größer sein können.

Foglar: Der ÖGB war immer für fairen Welthandel. Das Problem bei CETA ist das Liberalisierungsabkommen, wofür die Generaldirektion Handel der EU-Kommission der Motor ist. Öffentliche Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge haben in Handelsabkommen nichts verloren. Wir kritisieren private Schiedsgerichte, sie sind bei CETA abgemildert durch einen Investitionsgerichtshof, doch ausländische Investoren sind bevorzugt. Zwei Sätze im Text hätten viel geklärt: Es genügt die normale Gerichtsbarkeit für jeden Investor. Öffentliche Dienstleistungen und Daseinsvorsorge sind nicht vom Investitionsschutz erfasst. Wir haben noch Vorbehalte gegen CETA.

Das transatlantische Handelsabkommen TTIP ist erledigt?

Foglar: Man will den Handel weiter ausbauen, ein ganz kleine Gruppe profitiert davon. Auch wenn die Globalisierung Menschen aus bitterster Armut geholt hat, muss man dennoch feststellen, dass 62 Personen auf dieser Welt genau so viel Vermögen haben wie 3,5 Milliarden der ärmsten Weltbevölkerung.

Hoffmann: Die Amerikaner haben vor der Wahl massiv interveniert, dass der private Investorenschutz nicht durch einen öffentlich-rechtlichen Handelsgerichtshof ersetzt wird. Mit Trump ist TTIP auf lange Zeit politisch beerdigt.

Warum wird nicht mehr gegen die hohe Arbeitslosigkeit getan?

Foglar: Mit aller Kraft wurde das Schuldenproblem gelöst, die Defizite wurden von durchschnittlich 6,2 auf 2,1 Prozent gedrückt, 21 Millionen Arbeitslose sind geblieben. In manchen Staaten sind die Löhne beschämend niedrig, was zu einer Binnenmarkt-Migration führt. Wenn Liberalisierung die DNA Europas bleibt, wird sich die EU nicht ändern. Wir brauchen ein soziales Fortschrittsprotokoll, damit soziale Grundrechte denselben Stellenwert haben wie die vier Grundfreiheiten.

Hoffmann: Die richtige Botschaft Europas müsste sein: Mehr Jobs entstehen nur durch eine europäische Investitionsoffensive. Es braucht eine Energiewende Richtung erneuerbarer Energien, eine Modernisierung der Infrastruktur und Breitbandverkabelung. Blinde Sparpolitik hilft uns da nicht weiter.

Was fällt Ihnen zum Stichwort "Weckruf für Europa" ein?

Hoffmann: Die Jugendarbeitslosigkeit massiv bekämpfen.

Foglar: Entweder die Politik wird sozialer, oder die Erfolge der Rechtspopulisten führen in die Falle des Nationalismus. Dann scheitert die EU.

Kommentare