Kairos noch größeres Pulverfass ist die Wirtschaftskrise

Teure Subventionen, hohe Preise, riesiges Budgetloch: Die Regierung hat nicht nur politische Sorgen.

Konfrontationen zwischen Mursi-Anhängern, -Gegnern und dem Militär sind an der Tagesordnung. Ebenso wie Hiobsbotschaften über die schwindenden Weizen- und Devisenreserven, wachsende Arbeitslosigkeit, Armut, Strom- und Treibstoffknappheit. Investoren und Touristen machen einen Bogen um das Land. Ein IWF-Milliardenkredit, der die Wirtschaft Ägyptens stabilisieren könnte und die Türen für weitere Hilfszahlungen öffnen würde, liegt in weiter Ferne.

Das Budgetloch beträgt über 10 Prozent des BIP. 20 Milliarden Dollar braucht Kairo im nächsten Jahr. Man verlässt sich auf Hilfszahlungen. Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate haben 12 Milliarden Dollar versprochen. Zahlungen aus anderen Ländern sollen dazukommen.

Einen Kredit von 4,8 Milliarden Dollar, den der IWF mit Ägypten seit zwei Jahren zu finalisieren versucht, will Planungsminister Ashraf al-Araby erst einmal auf Eis legen. Dieser wäre mit Steuererhöhungen und einem Ende der fast schon historischen Subventionen für Treibstoff und Brot verbunden. Doch die Lebensmittelpreise sind bereits gestiegen, Ägypter spüren die Krise in der eigenen Tasche. Jeder weiterer Anstieg wäre ein Funke für neue Unruhen. Seit Mubaraks Sturz drückten sich alle Regierungen deshalb vor diesen unpopulären Maßnahmen. Mursi konnte sich leisten, den Deal auf Eis zu legen, weil Katar (8 Mrd. $) und die Türkei (2 Mrd. $) seine gewählte islamistische Regierung unterstützt haben.

Politische Interessen

Die Golfstaaten haben den Ruf, in der Region nicht ohne politische Interessen zu handeln. Saudi-Arabien und Katar stehen im ständigen Wettstreit. Während Katar und die Türkei den „Arabischen Frühling“ begrüßten und ihre islamistischen Freunde stärkten, hielten sich Saudi-Arabien und die Emirate zurück, als ihre autokratischen Verbündeten gestürzt wurden. Demokratisch gewählte islamistische Regierungen sind vor allem den nicht gewählten Saudi-Herrschern ein Graus. Sie fürchten innenpolitische Folgen. „Dass arabische Länder nicht nur wirtschaftliche Interessen haben, ist nicht unbekannt“, sagt Kurt Altmann. Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Kairo hofft dennoch, dass ein IWF-Kredit in näherer Zukunft zustande kommt. Dies würde den Weg auch für andere Finanzierungen öffnen.

Ägyptische Geschäftsleute wollen optimistisch sein. Die Hilfszahlungen, leichte Börsengewinne und eine kurzfristige minimale Aufwertung des Ägyptischen Pfunds geben ihnen Grund dazu. Die Devisenreserven – die seit Anfang 2011 von 36 Milliarden auf 14,9 Milliarden Dollar gesunken sind – werden in den nächsten Wochen wieder wachsen, zeigt sich Planungsminister Araby zuversichtlich.

Der ägyptische Markt ist trotz einer „sehr schwierigen“ wirtschaftlichen Lage sicher nicht hoffnungslos, erklärt Kurt Altmann. Vor dem Sturz Mubaraks sei er dem österreichischen „nicht ganz unähnlich“ gewesen. „Es gibt sicher mehr sehr reiche Ägypter als sehr reiche Österreicher und eine stark wachsende Bevölkerung.“ Wenn nur zehn Prozent der fast 90 Millionen Ägypter Bedarf an allen Produkten und entsprechende Kaufkraft haben, ist das ein erheblicher Markt.

Doch Ägypten habe vor allem ein makroökonomisches Problem. „Ein Drittel des Budgets wird für Preissubventionen ausgegeben, ein Viertel für Zinsen und Schuldendienste, ein Viertel für Staatspersonal“, schätzt Altmann. „Der Budgetraum jeder Regierung ist somit denkbar gering.“ Neue Finanzierungsmodelle müssen her. Dass die Subventionen abgeschafft oder zumindest radikal überdacht werden müssen, scheint Politikern klar zu sein. Doch jeder will es offenbar auf die nächste Regierung schieben.

Kommentare