„Junge aus Gaza würden gehen – wenn sie könnten“

Palästinensische Aktivistin, die in israelischem Gefängnis Fehlgeburt hatte, kritisiert Israel, aber auch eigene Politiker.

„Meinen Zorn und meine Wut gegen Israel werde ich so lange in mir tragen, bis wir endlich in Frieden leben können. Es reicht. Nach 70 Jahren muss die Unterdrückung endlich aufhören.“ Die Palästinenserin Naila Ayesh, heute 59 Jahre alt, hat sich zeitlebens für die Belange ihres Volkes eingesetzt – und dafür bitter bezahlt: 1986 kam sie erstmals in israelische Gefangenschaft. Sie war schwanger, nach Misshandlungen verlor sie ihr Kind in der Haft. Den „Tag des Zorns“, zu dem die Palästinenser am Dienstag nach der De-facto-Legitimierung der israelischen Siedlungen durch die USA aufgerufen hatten, verfolgte sie von Wien aus.

„Junge aus Gaza würden gehen – wenn sie könnten“

Die Palästinenser hatten für Dienstag zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen

Hierher kam sie auf Einladung der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft, um der Präsentation eines Streifens beizuwohnen, der ihr Leben und ihr Engagement nachzeichnet. Gezeigt wurde „Naila and the Uprising“ im Rahmen der Palästinensischen Filmwoche (noch bis Donnerstag im Votivkino in Wien).

Sehr pessimistisch

Im KURIER-Gespräch zeigte sich die Frau äußerst pessimistisch bezüglich einer Entspannung in der Region: „Wir durchleben die schlimmste Zeit, an die ich mich erinnern kann. Israels Premier Benjamin Netanjahu will keine Friedensgespräche, er will keine Zwei-Staatenlösung, stattdessen will er noch mehr Siedlungen bauen, die uns jetzt schon umzingeln, und die Palästinenser im Gazastreifen weiter wie in einem großen Gefängnis einsperren.“

"Gespalten und schwach"

Naila Ayesh kritisiert aber auch die Polit-Protagonisten auf palästinensischer Seite. „Sowohl die Hamas (die den Gazastreifen kontrolliert) als auch die Fatah schauen nur auf ihre jeweilige Klientel. Sie sind korrupt, und die Menschen haben die Nase voll von ihnen. Vor allem die jungen Leute in Gaza würden keine Sekunde zögern und sofort gehen – wenn sie könnten.“

Zugleich richtet sie einen Appell an die politischen Verantwortlichen, zu einer gemeinsamen Regierung zu kommen: „So sind wir gespalten und auch geschwächt.“

Schwache Zivilgesellschaft

Etwaigen Wahlen sieht die Endfünfzigerin mit gemischten Gefühlen entgegen, da sich neben der Fatah und der Hamas keine dritte Kraft abzeichne, die für einen Neubeginn stehen könnte. „Es gibt zwar eine Zivilgesellschaft, doch die war früher bedeutsamer, mächtiger.“

Frauen stärken

Dieser wieder mehr Geltung zu verschaffen – daran arbeitet Naila Ayesh weiterhin. Dabei setzt sie primär auf Frauen und deren Stärkung. Gerade im Gazastreifen hätten diese es nicht leicht, da sie von der Hamas unter dem Etikett Religion an den Rand gedrängt würden und dort generell die Gesellschaft eine sehr konservative sei.

Auf die Frage, ob sie glaube, dass noch zu ihren Lebzeiten Friede einziehen werde, folgt ein Achselzucken: „Derzeit sehe ich keine Möglichkeit, aber inshallah... (wenn Gott will).“

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