Junckers Hebeltrick für Wachstum
Harmonie und vorweihnachtlicher Friede" – dieses Motto haben die EU-Granden in Brüssel für das Treffen am Donnerstag und Freitag zeitgerecht hinausposaunt.
Ob sich die 28 Staats- und Regierungschefs bei der Debatte um das umstrittene Investitionspaket für mehr Wachstum und Beschäftigung von Jean-Claude Juncker daran halten werden, ist zweifelhaft. Die politischen Bruchlinien in den Mitgliedsländern, in den Parteien und unter den Abgeordneten im Europäischen Parlament sind groß.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist skeptisch, sie drängt die EU-Partner weiterhin zum Sparen und warnt: "Ohne gleichzeitigem Bürokratieabbau und Strukturreformen wird das Investitionsprogramm nicht zünden." Die CSU lehnt die Juncker-Pläne pauschal ab. Den südlichen EU-Staaten schwebt mehr frisches Geld vor.
Frankreich und Italien wollen Ausgaben für Investitionen, etwa in Infrastrukturprojekte, nicht auf das Defizit anrechnen.
Hilfe für Arbeitslose
Europas Sozialdemokraten fürchten, dass die Juncker-Initiative wieder nur einigen großen Unternehmen etwas bringt und nicht den Arbeitnehmern. Bei ihrem Treffen am Wochenende in Bommersvik bei Stockholm kamen Bundeskanzler Werner Faymann, sein schwedischer Kollege Stefan Löfven und der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel überein, dass das Investitionspaket nachgebessert werden muss. "Das, was derzeit vorliegt, ist viel zu gering, um wirklich einen großen Anstoß zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu machen", lautet unisono ihre Botschaft.
"Mut zur Wahrheit" forderte Faymann und meinte damit die 26 Millionen Arbeitslosen in der EU, mehr als drei Mal so viel als die Einwohnerzahl Österreichs. "Wir müssen den Menschen mal zeigen, dass Europa sie nicht bedroht, sondern dass das Chancen hat", skizzierte Gabriel seine Vision.
Noch ist nicht klar, welche Projekte überhaupt in Angriff genommen werden. "Wir fürchten, dass laufende Projekte einfach umetikettiert und Prinzipien wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Gender-Fragen nicht eingelöst werden", erklärt die österreichische Grün-Abgeordnete im EU-Parlament, Monika Vana, dem KURIER. In Schrecken versetzte viele Atomgegner die Meldung, die EU-Kommission könnte auch Gelder für Investitionen in AKW zur Verfügung stellen.
Karawanken-Tunnel
In den nächsten Monaten werden Experten der Kommission und der Europäischen Investitionsbank "die Projekte von europäischem Mehrwert" auswählen.
Allein Österreich hat 28 Vorhaben eingereicht, darunter finden sich der Ausbau des Schienenverkehrs und des digitalen Netzes, Umfahrungsstraßen und eine zweite Röhre für den Karawanken-Tunnel, der Österreich mit Slowenien verbindet.
In der EU-Kommission ist man wenige Tage vor dem Gipfel um Beruhigung und Rechtfertigung des Investitionspaktes bemüht. Will die Kommission Junckers Pläne umsetzen, braucht sie die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs.
Die Öffentlichkeitsarbeit hat der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, übernommen. "Wichtig ist das Umdenken, der Paradigmen-Wechsel. Wir wollen das Geld anders einsetzen. Durch private Investoren wollen wir Projekte mit mehr Marktnähe haben", sagte der niederländische Sozialdemokrat kürzlich österreichischen Journalisten in Brüssel.
Voodoo-Ökonomie
Timmermans geht auch auf Kritiker ein, die Junckers Geldvermehrung mit "Voodoo-Ökonomie" gleichsetzen. "Ich verstehe die Skepsis. Mit 315 Milliarden können wir die Wirtschaft nicht retten." Dann kommt vom starken Mann in Junckers Kommission der positive Ausblick: "Unser Paket kann nur ein Katalysator sein. Es gibt das Geld in der EU", ist er überzeugt. "Ich weiß vom großen Interesse privater Investoren."
Geldvermehrung Ein neuer Fonds für strategische Investitionen wird mit 21 Mrd. € ausgestattet. Dadurch kann die Europäische Investitionsbank (EIB) Kredite von 63 Mrd. € vergeben, also drei Mal so viel. Privatinvestoren sollen dann durch ihre Beteiligung an den Projekten weitere 252 Mrd. beisteuern. Damit würde die Ursprungssumme um den Faktor 15 „gehebelt“, was Investitionen von mindestens 315 Milliarden € binnen drei Jahren auslösen soll.
Ziel Bis zu 1,3 Millionen neue Jobs in der EU in den nächsten drei Jahren.
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