Juncker gesteht Fehler bei CETA ein

"Scheindebatte: Alle haben inhaltlich nichts an diesem CETA-Abkommen auszusetzen."
Der Kommissionspräsident zeigt Einsicht und lässt nationale Parlamente mitentscheiden.

Es ist die Stunde des steirischen Landeshauptmannes Hermann Schützenhöfer: Am Donnerstag besuchte er Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. Eine Stunde dauerte das Gespräch, dann passierte etwas Ungewöhnliches: Juncker gesteht bei CETA einen Fehler ein und will die Frage der Einbindung nationaler Parlamente bei der Zustimmung zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) überdenken. "Ich bin froh, dass wir eine wesentliche Forderung Österreichs, die Einbindung nationaler Parlamente bei CETA, erreichen konnten und Juncker seine Meinung überdacht hat", sagte Schützenhöfer nach dem Treffen. Sein Freund Juncker habe gesagt, dass er dies aus "demokratiepolitischen Erwägungen tue", berichtete der ÖVP-Politiker.

Die Ankündigung des Kommissionschefs beim EU-Gipfel, den fertig ausgehandelten Vertrag mit Kanada nur im Rat und im Europa-Parlament beschließen zu lassen, hat in Österreich und Deutschland Wirbel ausgelöst. Just nach dem Brexit-Referendum, als alle EU-Spitzenpolitiker gelobten, es fortan besser zu machen, verkündete Juncker, CETA sei ein europäisches Abkommen und brauche nicht die nationale Zustimmung, das belege eine juristische Expertise.

"Technokrat mit wenig Feingefühl"

Juncker wurde als "Technokrat mit wenig Feingefühl" kritisiert, nehme die Sorgen der Bevölkerung nicht ernst, die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission sei desaströs. Erneut hagelte es Rücktrittsforderungen wie schon in den Wochen zuvor.

Auch wenn Juncker formal im Recht ist, und er wiederholt die Staats- und Regierungschefs darauf aufmerksam gemacht hat, dass CETA als europäisches Abkommen eingestuft werde, hätte er gerade in der größten Akzeptanz-Krise der EU politisch und kommunikativ anders reagieren sollen. Sein Vorgehen war nicht undemokratisch, aber es wirkte so. Gerade vor dem Hintergrund, dass CETA als "Zwilling" vom umstrittenen TTIP-Abkommen gesehen werde, wäre mehr Sensibilität angebracht.

Juncker muss derzeit viel Prügel hinnehmen. In Großbritannien ist er wegen der Flüchtlingspolitik der Kommission ein Feindbild; am Kontinent schießen sich EU-Skeptiker auf ihn ein, weil er zu viel Macht an sich ziehe und oft eigenartig reagiere: er küsst Kollegen unmotiviert auf den Kopf und umarmt gerne Besucher.

Juncker gesteht Fehler bei CETA ein
European Commission President Jean-Claude Juncker welcomes Nigel Farage, the leader of the United Kingdom Independence Party, prior to a plenary session at the European Parliament on the outcome of the "Brexit" in Brussels, Belgium, June 28, 2016. REUTERS/Eric Vidal
Nicht jeder Vorwurf Juncker gegenüber ist fair. CETA ist ein Lehrstück über europäische Politik. Das oft kritisierte Durchgreifen der Kommission ist nur möglich, weil die nationalen Regierungen es so wollen, sie erteilen der Kommission das Verhandlungsmandat, sind in jeden Schritt einbezogen und putzen sich am Ende ab, nichts gewusst zu haben. Es ist die bigotte Allianz zwischen Brüssel und den EU-Hauptstädten, die die Akzeptanz für europäische Entscheidungen untergräbt.

Sich des eigenen Fehlers bewusst, eilte am Donnerstag Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Kommissionspräsidenten zu Hilfe. Sie verstehe sein Vorgehen bei CETA. Wenn der Rechtsdienst der EU-Kommission sage, dass es sich dabei nicht um ein gemischtes Abkommen handele, könne Juncker nicht einfach sagen, "das interessiert uns nicht, wie die rechtliche Bewertung ist", betonte Merkel.

Kommentare