Julian Assange wird vorerst nicht ausgeliefert

Julian Assange wird vorerst nicht ausgeliefert
Verhandlung vertagt. Dem Inhaftierten droht in den USA eine Verurteilung, weil seine Enthüllungsplattform vertrauliche Informationen über das Vorgehen des US-Militärs veröffentlichte.

Der in London inhaftierte WikiLeaks-Gründer Julian Assange darf vorerst nicht von Großbritannien in die USA ausgeliefert werden. Der Londoner High Court entschied am Dienstag, dass der 52-Jährige weiter juristisch gegen eine Überstellung an die USA vorgehen darf, wo er wegen der Veröffentlichung von Geheimdokumenten angeklagt ist - falls die USA nicht binnen drei Wochen mehrere Garantien hinsichtlich seiner Behandlung nach einer Auslieferung abgeben.

Das Gericht forderte die US-Behörden auf, zunächst ausreichend zu belegen, dass Assange sich in den USA auf den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung stützen könne.

Weitere Anhörung am 20. Mai 

Dieser gewährleistet unter anderem die Meinungs- und Pressefreiheit. Zudem verlangte das britische Gericht eine Zusage, dass Assange in den USA nicht die Todesstrafe droht. Sollte es in diesen Fragen keine "zufriedenstellenden Zusicherungen" geben, werde Assange die Erlaubnis erteilt, gegen seine Auslieferung in Berufung zu gehen. Eine weitere Anhörung wurde für den 20. Mai angesetzt.

Julian Assange wird vorerst nicht ausgeliefert

Seine Ehefrau, Stella Assange, vor den Royal Courts of Justice in London.

Assange drohen bis zu 175 Jahre Haft

Assanges Anwälte waren damit in wichtigen Punkten erfolgreich. Das Gericht schloss sich aber nicht ihrem Argument an, dass das Verfahren in den USA gegen Assange politisch motiviert sei und er deshalb gegen seine Auslieferung in Berufung gehen dürfe. Nach Angaben seiner Unterstützer drohen Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft. 

Ihm werden dort mehrere Vergehen vorgeworfen, darunter Verrat, weil seine Enthüllungsplattform vertrauliche Informationen über das Vorgehen des US-Militärs veröffentlichte. Zahlreiche Unterstützer sehen Assange dagegen als Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt hat.

2010

Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform WikiLeaks rund 470.000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250.000 Dokumente kommen später hinzu.

Im November bewirkt die schwedische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen Assange. Ihm werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen zwei Frauen vorgeworfen. Assange weist die Anschuldigung zurück und stellt sich kurz darauf der Polizei in London. Bis zur Entscheidung über einen Auslieferungsantrag Schwedens kommt er gegen Kaution auf freien Fuß.

2011

Im Februar gibt ein britisches Gericht dem schwedischen Auslieferungsantrag statt. Assange äußert sich besorgt: Er fürchtet, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte.

2012

Assange flieht im Juni in die Botschaft Ecuadors in London und beantragt erfolgreich politisches Asyl.

2016

Vor der US-Präsidentschaftswahl veröffentlicht WikiLeaks rund 20.000 E-Mails aus dem Parteiapparat der Demokraten. Sie stammen aus dem Wahlkampfteam der Kandidatin und früheren Außenministerin Hillary Clinton, welche die Wahl letztlich gegen Donald Trump verliert.

2017

Die Staatsanwaltschaft in Schweden stellt die Ermittlungen gegen Assange ein.

2018

Ecuador erklärt, es sei auf der Suche nach einem Vermittler, um Assanges "unhaltbare" Situation zu beenden. Im März kappt das Botschaftspersonal dann Assanges Kommunikationszugänge. In den USA taucht ein Dokument auf, wonach gegen Assange offenbar heimlich Anklage erhoben wurde.

2019

Ecuadors Präsident Lenín Moreno erklärt, Assange habe die Auflagen für sein Botschafts-Asyl "wiederholt verletzt". Im April nimmt die britische Polizei Assange fest, nachdem ihm das Asyl entzogen wurde. Im Mai wird der Australier zu 50 Wochen Haft wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen verurteilt.

Ende Mai verschärft die US-Justiz ihre Anklage gegen Assange. Dem WikiLeaks-Gründer werden nun auch Verstöße gegen Anti-Spionage-Gesetze vorgeworfen.

2020

Ende Februar beginnt in London die Hauptanhörung im Auslieferungsverfahren gegen Assange. Im April wird bekannt, dass der WikiLeaks-Gründer während seines Asyls in der Botschaft von Ecuador zweimal Vater wurde. Das enthüllt die Mutter der beiden kleinen Buben, Stella Moris. Sie war Mitglied von Assanges Anwaltsteam und ist nach eigenen Angaben seit 2017 mit ihm verlobt.

Anfang September wird das wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Auslieferungsverfahren fortgesetzt. Ein Psychiater bescheinigt Assange vor Gericht eine Suizidgefährdung. Der Australier sei hochgradig depressiv und habe Halluzinationen.

2021

Das zuständige Londoner Gericht entscheidet am 4. Jänner, dass Assange nicht in die USA ausgeliefert werden darf. Wegen der strikten Haftbedingungen in den Vereinigten Staaten bestehe das "beträchtliche" Risiko, dass sich Assange im Gefängnis das Leben nehmen könnte. Die US-Regierung legt Berufung ein. Im Dezember gibt der High Court in London der US-Seite recht und hebt das Auslieferungsverbot auf. Kurz darauf gibt Assanges Verlobte Moris bekannt, dass der WikiLeaks-Gründer Ende Oktober einen leichten Schlaganfall erlitten habe.

2022

Assange zieht im Jänner vor den Supreme Court in London. Am 14. März entscheidet der Oberste Gerichtshof jedoch, sich nicht mit dem Berufungsantrag des Australiers gegen seine Auslieferung zu befassen. Am 23. März heiraten Assange und Moris. Sie geben sich im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Süden Londons das Ja-Wort.

Im April erlässt der Westminster Magistrates Court schließlich einen Auslieferungsbeschluss. Im Juni genehmigt die britische Regierung die Auslieferung an die USA mit der Begründung, dass diese nicht "repressiv, ungerecht oder ein Missbrauch des Verfahrens" wäre. Auch seine Grundrechte - einschließlich der Rechte auf ein rechtsstaatliches Verfahren und Meinungsfreiheit - seien nicht beeinträchtigt. Anfang Juli stellt Assange einen Antrag auf Berufung.

2023

Ein Richter am Londoner High Court lehnt die von Assanges Anwälten eingereichten Anträge auf Berufung - sowohl gegen die ursprüngliche Gerichtsentscheidung über die Auslieferung, als auch gegen den Auslieferungsbescheid der britischen Regierung - ab.

2024

Der britische High Court entscheidet am 26. März, dass Assange gegen den Beschluss zu seiner Auslieferung Berufung einlegen darf.

Das Urteil am Dienstag nach einer zweitägigen Anhörung war mit großer Spannung erwartet worden. Assanges Frau Stella hatte die Befürchtung geäußert, er könne bei einer Ablehnung des Berufungsantrags unverzüglich in ein Flugzeug in die USA gesetzt werden.

Assange sitzt seit beinahe fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.

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