So hat Joe Biden Donald Trump besiegt
The winner takes it all. Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Nach einem tagelangen Auszählungsthriller war am Samstag zu Mittag (Ortszeit) klar: Der Demokrat ist nicht mehr einzuholen. Die Mehrheit der US-Bürger haben den amtierenden Präsidenten Donald Trump abgewählt.
Letztes Aufbäumen
Wie viele der 3.500 Gerichtsverfahren, die Donald Trump zeitlebens mittelbar oder unmittelbar geführt hat, vorteilhaft für ihn ausgingen, ist nicht bekannt. Was die juristischen Nachhut-Gefechte angeht, mit der Amerikas Präsident die Niederlage fünf Minuten nach 12 abbiegen will, steht eine vorläufige Zahl bereits fest: gen Null.
Sämtliche Versuche der Trump-Kampagne scheiterten bisher, den Wahlausgang vor den zuständigen Gerichten der betroffenen Bundesstaaten als betrügerisch qualifizieren zu lassen.
Kleine Auswahl: In Michigan wollte Trump das Zählen der Stimmzettel unterbinden lassen, bis seine eigenen Wahl-Beobachter das Procedere beaufsichtigen dürfen – Richter wiesen das als haltlos ab. Außerdem stand das Ergebnis schon fest: Biden.
In Wisconsin machte Trump Wahlbehinderungen durch Warteschlangen und defekte Wahlautomaten geltend und verlangte eine Neuauszählung – abgewiesen.
In Georgia führte Trump einen Wahlhelfer an, der beobachtet haben will, das 53 Stimmzettel zu spät eingetroffen und gezählt worden sein – abgewiesen. Weil "Hörensagen", so der Richter.
In Nevada legte sich Trumps Ex-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, öffentlich ins Zeug und kündigte eine Klage an, weil angeblich mehrere Tausend Menschen widerrechtlich gewählt hätten. Von Journalisten nach Beweisen gefragt, flüchtete Grenell in einen Bus. Später erklärten Wahlleiter des Bundesstaates, dass es legitim ist, in Nevada zu wählen, auch wenn man dort nicht wohnt.
In Detroit ließ Trump klagen, weil bei der Auszählung republikanischen Wahlbeobachtern der Zutritt verweigerte worden sei – in der richterlichen Anhörung stellte sich peinlicherweise heraus, dass 100 Beobachter beider Parteien anwesend waren. Der Richter verdreht die Augen. Renommierte Verfassungsrechtler machen im US-Fernsehen deutlich, dass Trump bisher nur mit ungenauen Begriffen wie "Unregelmäßigkeiten" und "mangelnde Transparenz" garnierte Behauptungen in die Welt gesetzt hat, von der sich kein Gericht beeindrucken lassen werde.
Im Gegenteil. Je öfter Trump von einer "gestohlenen" Wahl spreche, desto weniger würden Richter das "ernst nehmen", sagte der Trump gegenüber wohlwollend eingestellte Rechtsprofessor Jonathan Turley.
Ben Ginsberg, viele Jahre als Anwalt für die Republikaner unterwegs gewesen, spricht von "Hail Mary"-Klagen; in Anlehnung an einen Spielzug im American Football, der in letzter Minute ein bereits so gut wie verloren gegangenen Spiel drehen soll.
Erst am Freitag hatte der am Obersten Gerichtshof für Pennsylvania zuständige Richter Samuel Alito verfügt, dass Briefwahl-Stimmzettel, die dort bis 6. November, 20 Uhr, eingegangen sind und den Poststempel 3.11. tragen, separat gezählt und aufbewahrt werden müssen. Aber: Alito lehnte die Forderung des Trump-Lagers bewusst ab, diese Stimmen grundsätzlich jetzt für ungültig zu erklären. Wahlverantwortliche vor Ort signalisierten, dass die Anweisung des höchsten Gerichts keine großen Konsequenzen haben werde.
Dolchstoß-Legende
Timothy O’Brien, einst Trumps Biograph und darüber von dem New Yorker Geschäftsmann 2006 (erfolglos) verklagt worden, erkennt in den juristischen Nebelkerzen Trumps den Versuch, an einer Dolchstoß-Legende zu stricken. So soll das "Verlierer-Image" (erster Präsident seit fast 30 Jahren, der keine zweite Amtszeit bekam) in der Öffentlichkeit unterdrückt werden.
Hunderte Trump-Fans bissen bereits an und demonstrieren für ihren Präsidenten. Laut O’Brien darf sich Amerika langfristig auf eine Trump-Erzählung einstellen, die ungefähr so anfängt: Wenn ich 2020 bei der Wahl nicht betrogen worden wäre...
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