Joschka Fischer: "Ich schäme mich für unser Land"

European Financial Congress 2022 in Sopot
Angesichts vermehrter Übergriffe auf Juden äußert sich Deutschlands ehemaliger Außenminister in einem Gespräch mit der "Zeit".

Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer schämt sich für Deutschland angesichts vermehrter Übergriffe auf Juden seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober. „Jüdische Eltern müssen Angst haben, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Wohnungen von Juden werden mit Davidsternen beschmiert. Antiisraelische und antijüdische Parolen stehen an Häuserwänden. Ich schäme mich für unser Land“, sagte er Zeit Online

Mehr lesen: Woher der Judenhass kommt

Was seit dem 7. Oktober in Deutschland passiert sei, hätte er nicht für möglich gehalten.  Mit Blick auf propalästinensische Demonstrationen in Deutschland sagte Fischer: „Unsere Geschichte wiegt schwer. Wir dürfen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass wir den Staat Israel unterstützen.“ Er selbst habe als junger Mann nach dem Sechstagekrieg 1967 zwar auch Mitgefühl mit den Palästinensern gehabt und empfunden, dass sie von Israel unterdrückt wurden, aber er habe zu keinem Zeitpunkt das Existenzrecht Israels infrage gestellt.

Germany's Green party candidate for Chancellor Annalena Baerbock during an election campaign tour in Frankfurt (Oder)

Joschka Fischer mit Nachfolgerin im Amt: Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock

Als Außenminister habe er erlebt, wie unglaublich schwer es sei, die israelische Position gerade jungen Menschen zu erklären. „Wenn man sieht, wie Menschen im Westjordanland Steine werfen auf israelische Soldaten, die ihrerseits mit modernsten Waffen ausgestattet sind, hat man den Eindruck, das sei unfair. Aber Israel kann sich Schwäche nicht erlauben. Sonst wird es nicht mehr existieren“, sagte er.

29 Fälle pro Tag

Im ersten Monat nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel haben Meldestellen in Deutschland bundesweit 994 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Rechnerisch seien das 29 Fälle pro Tag, 320 Prozent mehr als der tägliche Durchschnitt 2022, berichtete der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) Ende November. Die Auswertung umfasst den Zeitraum 7. Oktober bis 9. November 2023. Viele Jüdinnen und Juden erleben laut Rias antisemitische Vorfälle im Alltag und fühlen sich unsicher.

Kommentare