Trump fällt May in Rücken: "Johnson wäre großartiger Premier"
In einem beispiellosen Interview anlässlich seines ersten Besuchs als US-Präsident in Großbritannien hat Donald Trump die angeschlagene Premierministerin Theresa May und deren Brexit-Strategie attackiert. Im Gespräch mit der Boulevard-Zeitung "The Sun" drohte er ihr mit dem Scheitern eines möglichen Handelsabkommens zwischen Großbritannien und den USA. Auch Trumps Schmeichelei für einen der größten Rivalen Mays birgt politischen Zündstoff für die Fortsetzung seines Besuchs am Freitag.
May will Trump nach dessen heftiger Kritik ihre Brexit-Pläne erläutern. "Sie freut sich darauf, sich mit dem Präsidenten zusammenzusetzen und mit ihm das Weißbuch durchzugehen", sagte ein Sprecher der Regierungschefin am Freitag. Er bezog sich damit auf das gerade vorgestellte Weißbuch, in dem die britische Regierung ihre Vorstellungen über die künftigen Beziehungen zur Europäischen Union nach dem Brexit erläutert.
Nach Angaben der "Sun" fand das Interview bereits am Mittwoch vor dem NATO-Gipfel in der US-Botschaft in Brüssel statt. Die Zeitung aus dem Medienimperium von Robert Murdoch, dem großer Einfluss auf Trumps Politik nachgesagt wird, veröffentlichte Ausschnitte des Gesprächs aber erst am Donnerstagabend - kurz nachdem May Trump im Blenheim Palace nahe Oxford zu einem festlichen Gala-Dinner empfangen hatte.
Der Zeitpunkt war wohl kaum zufällig gewählt: Bei dem Dinner sollte es darum gehen, Trump von einem baldigen Start der Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit London für die Zeit nach dem EU-Austritt zu überzeugen. Mit der Aussicht auf Deals wie diesen hatte die britische Regierung Brexit-Gegner zu besänftigen versucht. In ihrer Begrüßungsrede äußerte sich May noch enthusiastisch über die "beispiellosen Möglichkeiten" eines solchen Abkommens.
Dass Trump ihr im Interview nun derart in die Parade fährt, schwächt die politisch ohnehin schwer angeschlagene Premierministerin zusätzlich. Erst am Montag waren Brexit-Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson im Streit über die Strategie in den Verhandlungen mit Brüssel zurückgetreten. Mays Brexit-Pläne sehen unter anderem eine Freihandelszone und ein Zollabkommen mit der EU vor. Sie ist dringend darauf angewiesen, den Trump-Besuch als Erfolg zu verkaufen. Doch das dürfte nun schwierig werden.
Lob für Boris Johnson
Statt May den Rücken zu stärken, lobte Trump erneut ihren Widersacher Johnson, dessen Rücktritt er mit "großem Bedauern" zur Kenntnis genommen habe. Er wolle die beiden nicht gegeneinander ausspielen, betonte er zwar - doch dann folgte eine Aussage, die als volle Breitseite gegen May interpretiert werden kann. "Ich sage nur, ich denke, er wäre ein großartiger Premierminister."
Trump sagte, eine zu enge Bindung an die Europäische Union nach dem Brexit würde dazu führen, dass die USA bei einem Handelsabkommen mit Großbritannien doch wieder mit der EU verhandeln müssten. "Also wird es das Abkommen wahrscheinlich töten", fügte er mit Blick auf einen möglichen Deal Großbritanniens mit den USA hinzu. "Wir haben genug Schwierigkeiten mit der Europäischen Union, wir gehen gerade jetzt gegen die Europäische Union vor, weil sie beim Handel nicht fair mit den Vereinigten Staaten umgegangen sind."
Mays Brexit-Strategie kommentierte Trump mit den unverblümten Worten: "Ich hätte das sehr anders gemacht. Ich habe Theresa May tatsächlich gesagt, wie man das macht, aber sie hat nicht auf mich gehört." Stattdessen scheine May das Gegenteil getan zu haben. "Das ist in Ordnung, sie sollte verhandeln, wie sie es am besten kann." Bei der von May angestrebten Vereinbarung handle es sich aber nicht mehr um das, wofür die Briten im Referendum gestimmt hätten.
Darüber hinaus übte Trump in dem Interview erneut scharfe Kritik an der aus seiner Sicht zu großzügigen Migrationspolitik in Europa. Die Zuwanderung sei "eine Schande", sagte er. "Ich denke, dass sie das Gefüge Europas verändert hat, und wenn man nicht sehr schnell handelt, wird es nie wieder sein, was es war, und ich meine das nicht positiv." Er fügte hinzu: "Millionen über Millionen Menschen zu erlauben, nach Europa zu kommen, ist sehr, sehr traurig." Aus seiner Sicht würden die Europäer damit "ihre Kultur verlieren".
Attacke auf Londons Bürgermeister
Trump griff auch Londons populären Bürgermeister Sadiq Khan erneut scharf an. Khan ist ein ausgesprochener Kritiker des US-Präsidenten und hatte sich gegen dessen Staatsbesuch ausgesprochen. "Ich denke, dass er einen sehr schlechten Job beim Terrorismus gemacht hat, einen sehr schlechten Job bei der Kriminalität", sagte Trump.
Am Freitag wird der US-Präsident zu Gesprächen mit May auf dem Landsitz Chequers erwartet. Später reist er weiter nach Windsor, wo er von Queen Elizabeth II. empfangen wird. In London wird mit massiven Anti-Trump-Protesten gerechnet. Die Organisatoren rechnen mit bis zu 100.000 Teilnehmern. Am Donnerstagabend waren es nur wenige Dutzend, die Trump vor der US-Botschafterresidenz in der britischen Hauptstadt empfingen, wo er die Nacht verbrachte. Mit Trillerpfeifen, Töpfen und Vuvuzelas versuchten sie, den Staatsgast um den Schlaf zu bringen.
Deutschlands Außenminister: Trump will "Regimewechsel"
Nach dem NATO-Gipfel hat der deutsche Ex-Außenminister Sigmar Gabriel US-Präsident Donald Trump vorgeworfen, auf einen "Regimewechsel" in Deutschland abzuzielen. "Auf Amerika ist unter Trump kein Verlass. Er gibt dem nordkoreanischen Diktator eine Bestandsgarantie und will gleichzeitig in Deutschland einen Regimewechsel. Das können wir uns schwer bieten lassen", sagte der frühere SPD-Vorsitzende dem Magazin "Der Spiegel".
Trump hatte die Verbündeten beim NATO-Gipfel in Brüssel mit Druck und Drohungen massiv bedrängt, rasch mehr in Verteidigung zu investieren und das NATO-Ausgabenziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erfüllen. Deutschland stand besonders im Visier, weil derzeit nur 1,24 Prozent erreicht werden und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch bis 2024 nur 1,5 Prozent in Aussicht gestellt hat. Schließlich deutete Merkel mögliche Zugeständnisse bei den Militärausgaben an. Gegebenenfalls müsse Deutschland "noch mehr tun", sagte sie.
Verhalten von Trumps Handelsminister: Potential für schwere Straftat
Nach Kritik einer Aufsichtsbehörde hat US-Handelsminister Wilbur Ross angekündigt, alle verbliebenen Aktien seiner Firma zu verkaufen. Der Vertraute von Präsident Trump erklärte am Donnerstag, er habe sich von den Anteilen nicht wie in einer Vereinbarung festgehalten getrennt. Er habe nun angewiesen, dass alle Anteile verkauft und die Erlöse in US-Staatsanleihen angelegt würden. Die Aufsichtsbehörde Office of Government Ethics (OGE) hatte Ross mitgeteilt, dass eine Untersuchung zwar keine Verletzung der Regeln gegen Interessenskonflikte ergeben hätten. Allerdings hätten die Versäumnisse des Ministers das Potenzial für eine schwere Straftat. Zudem sei das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben worden.
Ross hatte sich im Jänner 2017 verpflichtet, seine Anteile an der Investmentgesellschaft Invesco zu verkaufen und sich aus den Firmengremien zurückzuziehen. Ein Ermittler stellte laut OGE aber unter anderem fest, dass Ross Firmenanteile nach dem Datum verkaufte, das eigentlich dafür vorgesehen war.
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