Jean Asselborn: "Das Säbelrasseln unterlassen"

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Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ist gegen den FPÖ-Plan, Soldaten an die EU-Außengrenze zu schicken.

Der Luxemburger Jean Asselborn ist der längstdienende Außenminister der EU. Unermüdlich plädiert er für eine gemeinsame Migrationspolitik der EU und für mehr Solidarität als Ausweg aus der Flüchtlingskrise.

KURIER: Herr Außenminister, zum Schutz der EU-Außengrenze schlägt der österreichische FPÖ-Verteidigungsminister einen militärischen Assistenzeinsatz an der Außengrenze und auch in Drittstaaten vor, zum Beispiel in Afrika. Was halten Sie von diesem Plan?

Jean Asselborn: In der Europäischen Union sollte man das Säbelrasseln in Sachen Migration tunlichst unterlassen. Ein EU-Vorsitzland sollte auch wissen, dass die Außen- und Sicherheitspolitik nicht in die Kompetenz einer EU-Präsidentschaft fällt (dafür ist die Hohe Beauftragte Mogherini zuständig). Die Regel, die anzuwenden ist, ist die Einstimmigkeit.

Der Plan ist unrealistisch?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mitgliedsstaat Appetit auf eine Konfrontation mit nordafrikanischen Ländern hat. Wie will man als Präsidentschaft über eine militärische Kooperation reden, wenn man es nicht fertig bringt, das Problem der Flüchtlinge auf Rettungsschiffen zu lösen.

Was wäre für Sie eine Lösung der Flüchtlingsfrage?

Das UN-Flüchtlingshilfswerk ( UNHCR) arbeitet gerade gemeinsam mit der EU und der Internationalen Organisation für Migration daran, dass man eine reale Partnerschaft aufbaut mit Ländern aus Nordafrika. Wenn jetzt ein Land indirekt mit Militärdrohungen kommt, kann das die ganze Sache torpedieren. Diese österreichische Regierung hat wenig Erfahrung im Umfang mit afrikanischen Ländern, aber so etwas kann man ja lernen. Wir sollten in der Flüchtlingsfrage nicht ständig über Nordafrika reden, sondern mit nordafrikanischen Ländern als Partner.

Salvini und Orbán wollen eine Allianz der Migrationsgegner schmieden. Warum ist es so schwierig, gar unmöglich, in der EU eine Einigung über die Flüchtlingspolitik zu erzielen?

Erstens gilt allgemein, dass Menschen, die Schutz bedürfen, diesen Schutz auch bekommen. Dazu verpflichten uns die Genfer Konvention und die Charta der Menschenrechte, die im Lissabonner Vertrag steht. Zweitens kann man das Problem nicht allein den Ländern überlassen, in denen Flüchtlinge ankommen. Das funktioniert ja nicht. Der Begriff der Solidarität muss eine konkrete Anwendung finden. Eine Aufteilung der Lasten, heißt es politisch salopp.

Beim Europäischen Rat vor dem Sommer haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass man die faire Aufteilung nicht braucht.

Da hat man einen kapitalen politischen Fehler gemacht, weil man zu viel auf Politiker wie Orbán und Kurz eingegangen ist. Diese Politiker behaupten, dass man die Grenzen Europas hermetisch abriegeln könne, was ein großer Trugschluss ist. Der Europäische Rat sagte auch, dass eine obligatorische Lastenverteilung nicht notwendig ist, weil man es freiwillig machen kann. Das geht nicht.

Das zeigt auch, wie weit die Freiwilligkeit reicht. Von den Rettungsschiffen wollten viele Politiker nichts hören.

Wie weit die Freiwilligkeit reicht, haben die Rettungsschiffe Aquarius, Lifeline und Diciotti gezeigt. Acht Länder haben sich eingebracht und geholfen: Deutschland, Frankreich, Spanien, Malta, Italien, Luxemburg, Belgien und die Niederlande. Österreich hat als Präsidentschaft des Europäischen Rates keine Bereitschaft gezeigt, kein gutes Vorbild.

Asselborn liebt Klartext

Geboren
1949 in Steinfort, Luxemburg.  Studium der Rechtswissenschaft in Frankreich  (Université Nancy II). Jobs im höheren Management.  

Politische Karriere
Sozialdemokratischer Bürgermeister  von Steinfort; 1984 Abgeordneter; 2004 Außenminister. Merkmal: Asselborn nennt Probleme stets beim Namen. 

Privat
Verheiratet; passionierter Radfahrer. Im Urlaub, auch heuer, fährt er Etappen der Tour de France nach.  

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