Japans neue "Iron Lady" Sanae Takaichi spaltet das Land

Japan's ruling Liberal Democratic Party's new president press conference
Die designierte neue Premierministerin will Japan konservativer machen. Ihre Haltung zu Migration, Frauenrechten und Japans Verbrechen im Zweiten Weltkrieg polarisiert schon jetzt.

Sanae Takaichi trägt viele Spitznamen. „Iron Lady“ nennen sie ihre Anhänger, in Anspielung an ihr politisches Vorbild Margaret Thatcher. „Taliban Takaichi“ nannte sie dagegen Parteifreund und Ex-Premier Fumio Kishida wegen ihrer konservativen Ansichten.

Seit Samstag ist Takaichi die erste Frau an der Spitze der Liberaldemokratischen Partei (LDP), die Japan seit 70 Jahren fast durchgehend regiert. Damit wird sie schon bald die erste Premierministerin Japans sein; die Zustimmung des Parlaments am 15. Oktober gilt als Formsache.

Japan's ruling party LDP holds leadership election

Am 4. Oktober wurde Sanae Takaichi zur neuen LDP-Vorsitzenden gewählt.

Dabei polarisiert Takaichi wie kaum eine japanische Politikerin vor ihr, jede ihrer Positionen ist extrem. Genau das ist der Plan: Im Vorjahr verlor die LDP Millionen von Wählern an die neu gegründete Rechtspartei Sanseito – und damit erstmals in ihrer Geschichte die Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Takaichi soll die Rechtswähler zurück nach Hause holen.

Keine Migration, keine Work-Life-Balance

Dafür verspricht die studierte Ökonomin einen beinharten Anti-Migrationskurs, obwohl Japans Bevölkerung schneller altert als in jedem anderen Land und Migranten aktuell nur drei Prozent ausmachen. 

Selbst ausländische Touristen und Studierende will die 64-Jährige ausweisen lassen, wenn sie sich nicht „benehmen“ sollten - so teilte sie jüngst ein Video von Touristen, die in ihrer Heimatstadt Nara eines der heiligen Rehe treten. Wer schon einmal in Nara war, weiß: Die dortigen Rehe sind Menschen gewöhnt - und können durchaus aggressiv gegenüber jenen werden, die sie nicht füttern. 

Takaichis politischer Ziehvater war der langjährige konservative Premier Shinzo Abe, der 2022 von einem Attentäter ermordet wurde. Abe hatte Japan in seinen acht Jahren an der Macht massiv verschuldet, um den wirtschaftlichen Abschwung aufzuhalten – Takaichi will zurück zu dieser Fiskalpolitik.

Ebenso wie zur aus ihrer Sicht verlorengegangenen Leistungsgesellschaft. Ihren Vater, einen Büroangestellten, habe sie wegen der langen Arbeitszeiten zwar selten gesehen, doch er sei „ständig mit neuen Geräten nach Hause gekommen“. Nach diesem Vorbild werde sie die „Idee der Work-Life-Balance beenden“,  von jetzt an heiße es: „Arbeiten, arbeiten, arbeiten!“ 

Zweiter Weltkrieg war für Takaichi ein "Selbstverteidigungskrieg"

Wie schon Ex-Premier Abe hat auch Takaichi eine eigenwillige Version der Geschichte. Wiederholt spielte sie im Verlauf ihrer Karriere Japans Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg herunter. 

Berichte über die systematische Zwangsprostitution chinesischer und koreanischer Frauen sowie das Nanjing-Massaker, bei dem japanische Besatzer im Jahr 1937 rund 300.000 Zivilisten ermordeten und 20.000 Frauen vergewaltigten, nannte Takaichi „übertrieben“. Noch im Jahr 2004 behauptete sie, es sei „klar, dass das ein Selbstverteidigungskrieg war“.

Mehrmals im Jahr pilgert Takaichi mit Gleichgesinnten zum berüchtigten Yasukuni-Schrein in Tokio, um Japans Gefallenen im Zweiten Weltkrieg – und nur derer – zu gedenken. Ob sie das als Premierministerin weiter tun wird, ließ sie offen. 

Für Japans Nachbarn ist diese Haltung ein rotes Tuch. Die zuletzt erstmals aufgetauten Beziehungen zu Südkorea dürften schnell wieder abkühlen; der dort im Juli neu gewählte Präsident Lee Jae-myung kann sich aus innenpolitischen Gründen keine Nähe zu einer Hardlinerin wie Takaichi leisten. 

Auch die erhoffte pragmatische Annäherung an China, wegen Trumps Zollpolitik von einigen Japanern gefordert, scheint unter ihr unmöglich.

Apropos Trump: Takaichi erwartet schon am 27. Oktober der erste Härtetest, wenn der US-Präsident im Vorlauf auf den APEC-Gipfel in Südkorea zwei Tage in Tokio verbringen wird. Sie hat bereits angekündigt, den Zoll-Deal mit den USA nachverhandeln zu wollen. Trump dürfte kaum empfänglich dafür sein. Scheitert Takaichi, wäre ihr eiserner Ruf schon früh in ihrer Amtszeit angekratzt.

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