Italiens Außenminister Gentiloni mit Regierungsbildung beauftragt

Paolo Gentiloni steht hinter einem Mikrofon
Der 61-jährige Gentiloni nahm Mattarellas Auftrag bedingt an.

Am Ende mehrtägiger politischer Konsultationen, um einen Ausweg aus der politischen Krise in Rom zu finden, hat Italiens Staatschef Sergio Mattarella den scheidenden Außenminister Paolo Gentiloni mit der Regierungsbildung beauftragt. Gentiloni ist ein Spitzenpolitiker der Demokratischen Partei (PD), der stärksten Einzelkraft im italienischen Parlament. Der 61-jährige Gentiloni nahm Mattarellas Auftrag bedingt an, teilte der Generalsekretär im Quirinal, Ugo Zappetti, mit. Er muss prüfen, ob er eine Mehrheit auf die Beine stellen kann. Mattarella führte ein 45 Minuten langes Gespräch mit Gentiloni, bevor er ihm den Regierungsauftrag erteilte.

Der bisherige Außenminister Paolo Gentiloni will eine Regierung mit derselben Mehrheit aufbauen, die bisher das Kabinett seines Vorgängers Matteo Renzi unterstützt hat. Dies sei eine Notwendigkeit, da die stärksten Oppositionsparteien nicht bereit seien, eine Regierung zu unterstützen, die sich prioritär mit der Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes befasse, sagte Gentiloni.

In einer kurzen Ansprache betonte Gentiloni, dass Italien eine handlungsfähige Regierung brauche, die sich mit größter Entschlossenheit mit den sozialen, internationalen und wirtschaftlichen Problemen des Landes, angefangen vom Wiederaufbau im Erdbebengebiet, beschäftige. Gentiloni hatte nach einer 45 Minuten langen Unterredung mit Staatschef Sergio Mattarella den Regierungsauftrag angenommen.

Erwartet wird, dass der designierte Premier bereits am Montag dem Präsidenten seine Regierungsliste vorlege. Danach folgt die Vereidigung des 66. Kabinetts seit der Gründung der Republik. Mattarella drängt, dass Italien mit einer funktionsfähigen Regierung am Gipfel der EU-Staats- und Regierungschef nächste Woche in Brüssel teilnimmt, bei dem es prioritär um die Flüchtlingsthematik geht.

Reaktionen der Politik

Italiens stärkste Oppositionsparteien kritisierten den Beschluss von Staatschef Sergio Mattarella, den Sozialdemokraten Paolo Gentiloni mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Sie drängten weiterhin auf vorgezogene Parlamentswahlen. "Italien will wählen. Die Bürger wollen das Land mit ihrer Stimme erneuern. Die Parteien stellen eine neue Regierung auf die Beine, um ihre Mega-Gehälter zu retten", sagte der Spitzenpolitiker der europakritischen Protestbewegung "Fünf Sterne", Luigi Di Maio. Die ausländerfeindliche Lega Nord hatte bereits zuvor Protestkundgebungen für das kommende Wochenende angekündigt, um Neuwahlen zu fordern. "Gentiloni ist eine nutzlose Fotokopie Renzis, die Italien nicht braucht", erklärte Lega-Chef Matteo Salvini. Die Regierung Gentiloni wäre die vierte Regierung, die nicht direkt aus Parlamentswahlen hervorgeht. Anders sieht die Lage Renzis Demokratische Partei (PD). "Gentiloni übernimmt eine schwierige Aufgabe, die er bestens erfüllen wird", versicherte der scheidende Justizminister und PD-Politiker Andrea Orlando.

"Low profile"-Adeliger mit diplomatischem Geschick

Der scheidende italienische Außenminister Paolo Gentiloni muss Italien nach dem Rücktritt von Premier Matteo Renzi aus der politischen Krise führen. Der Römer aus adeliger Familie ist mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden, die ein neues Wahlgesetz über die Bühne bringen muss.

Der 61-Jährige, Erbe der Grafen Gentiloni Silverj, lebt in einem noblen Palazzo fast vis-a-vis vom Quirinalspalast, Sitz von Staatspräsident Sergio Mattarella, der ihm den Regierungsauftrag erteilt hat. Mit Mattarella hat der designierte Premier die katholische Erziehung und das höfische Auftreten gemeinsam. Im Gegensatz zu Renzi, der sich von der toskanischen Provinz aus eine rasante Karriere aufgebaut hat, vertritt der eher uncharismatisch wirkende Gentiloni eine römische Führungselite, die im Zeichen der Kontinuität steht. Schließlich sitzt er seit 15 Jahren im Parlament.

Gentiloni gilt als erfahrener Politiker des italienischen Mitte-Links-Lagers. Understatement ist sein Lebensstil. Schon in jungen Jahren interessierte sich Gentiloni für Politik, widmete sich aber auch dem Journalismus. Acht Jahre lang war er Chefredakteur eines Magazins des Umweltschutzverbands Legambiente. 1993 wurde er Sprecher des damaligen römischen Bürgermeisters Francesco Rutelli. Als Stadtratsmitglied spielte Gentiloni eine entscheidende Rolle bei der Organisation des Jubiläumsjahres 2000, das Millionen Pilger in die Ewige Stadt führte.

Vertrauensmann Renzis

Der mit einer Architektin verheiratete, kinderlose Gentiloni wurde erstmals 2001 zum Parlamentsabgeordneten in den Reihen der Zentrumspartei "Margherita" gewählt, die sich inzwischen in die Demokratische Partei (PD) von Renzi integriert hat. 2006 besetzte er in der zweiten Regierung von Romano Prodi das Amt des Telekommunikationsministers. 2007 zählte er zu den Gründern der PD, der heute stärksten Kraft im italienischen Parlament.

Gentiloni gilt als Vertrauensmann Renzis, der ihn im Oktober 2014 anstelle der zur EU-Außenbeauftragten avancierten Federica Mogherini zum Außenminister ernannte. In diesem Amt musste sich Gentiloni intensiv mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzen. Unermüdlich machte er Druck auf die EU, damit Italien mehr Unterstützung im Umgang mit der Flüchtlingskrise erhalte. Gentiloni hat sich auch eingehend mit den Krisen in Libyen und Afghanistan befasst. Er war außerdem der erste Minister eines EU-Landes, der nach der Aufnahme der Beziehungen mit den USA nach Kuba reiste.

Sein Vermittlungstalent wird Gentiloni jetzt vor allem für den Aufbau einer handlungsfähigen Regierung brauchen. Er muss eine breite Koalition aufbauen, die ein neues Wahlgesetz im Parlament unter Dach und Fach bringen kann. Die neue Regierung soll die Reformen fortsetzen, die Renzi in die Wege geleitet hatte und dann eventuell den Weg zu Neuwahlen ebnen.

Viel Unterstützung kann sich Gentiloni von den Oppositionsparteien nicht erhoffen, die auf sofortige Neuwahlen drängen. "Gentiloni ist ein Renzi-Avatar. Mit ihm werden wir nicht zusammenarbeiten", kritisierte der Spitzenpolitiker der europakritischen Protestbewegung Fünf Sterne, Luigi Di Maio. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini bezeichnete Gentiloni als "nutzlose Fotokopie Renzis" und drohte mit Bürgerprotesten, sollte es nicht sofort zu Neuwahlen kommen.

Kommentare