Italienische Regierung um Premier Draghi in Rom vereidigt

Draghi informierte Mattarella über Ministerliste
Die neue Regierung rund um den Ex-Chef der Europäischen Zentralbank ist vereidigt worden. Die Opposition zeigt Wohlwollen.

Vier Wochen nachdem die Splitterpartei Italia Viva um Expremier Matteo Renzi eine Regierungskrise auslöste, hat Italien ein neues Kabinett. Staatspräsident Sergio Mattarella vereidigte am Samstag die Regierung unter dem parteilosen Ministerpräsident Mario Draghi. Die neue technisch-politische Koalition stützt sich auf ein breites Parteienspektrum aus Fünf-Sterne-Bewegung, Sozialdemokraten (PD), der Linkskraft Liberi e Uguali, Lega, Forza Italia und Italia Viva.

Dem neuen Kabinett gehören 23 Minister an, 15 davon sind Politiker, die anderen acht sind parteilose Fachleute. Es ist damit um zwei Mitglieder größer als die Vorgängerregierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten, die der zurückgetretene Premier Giuseppe Conte von September 2019 bis Jänner geführt hatte. Die neue Koalition entstand nach mühsamen Verhandlungen, nachdem Expremier Matteo Renzi, Chef des Juniorpartners Italia Viva das Bündnis mit den Fünf Sternen und den Sozialdemokraten platzen ließ. Es kam aber zu keiner Neuwahl, sondern zum Koalitionswechsel.

Auf den neuen Regierungschef warten große Herausforderungen: Er muss Lösungen für die Gesundheits- und Wirtschaftskrise im Land finden. Wie viele andere Länder der Europäischen Union ist Italiens Corona-Impfkampagne aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei den Vakzinen in Verzug geraten. Das Land benötigt dringend die Corona-Hilfszahlungen der Europäischen Union in Höhe von 220 Milliarden Euro. Die Mitte-Links-Koalition von Ex-Ministerpräsident Conte war allerdings am Streit um die Verwendung dieser Mittel zerbrochen.

Kritik musste Draghi wegen der geringen Zahl an Frauen im Kabinetthinnehmen, nur drei von ihnen hätten ein Ministerium mit Portfeuille. Begrüßt wurde von Frauenverbänden die Amtsbestätigung der parteilosen Innenministerin Luciana Lamorgese und die Ernennung der Ex-Präsidentin des Verfassungsgerichts, Marta Cartabia, zur neuen Justizministerin. Regierungserfahrung haben auch die zur Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi gehörenden Ministerinnen Maria Stella Gelmini (Regionenministerin) und Mara Carfagna (Ministerin für Süditalien).

Cinque Stelle erleidet einen Rückschlag

Die Fünf Sterne-Bewegung, die stärkste Einzelpartei im italienischen Parlament, geht geschwächt aus der Regierungskrise hervor. Zwar wurde Außenminister Luigi Di Maio, Spitzenpolitiker der Bewegung, im Amt bestätigt, die Gruppierung erhielt jedoch nicht wie erhofft das "Superministerium" für den ökologischen Übergang mit ausgedehnten Kompetenzen im Energiebereich. Der Posten wurde vom parteiunabhängigen Physiker Roberto Cingolani übernommen.

Ministerpräsident Draghi leitet am Samstag um 14 Uhr seine erste Ministerratssitzung. Am kommenden Mittwoch muss sich der Premier Vertrauensabstimmungen im Senat und in der Abgeordnetenkammer unterziehen. Erwartet wird, dass er dank der breiten Mehrheit, über die er im Parlament verfügt, diese letzte Hürde problemlos bewältigt. Wie lange die Parteien, die ein breites ideologisches Spektrum umfassen, unter Draghis Regie konstruktiv zusammenarbeiten werden, wird sich bereits in den nächsten Wochen zeigen.

Italien war das erste europäische Land, das mit voller Wucht von der Corona-Pandemie getroffen wurde. Die Wirtschaft rutschte in die schwerste Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Inmitten dieser Krise war das Land fast einen Monat lang ohne voll funktionsfähige Regierung.

Die Opposition zeigt sich angetan

Die Bildung der neuen Regierung ist von den anderen Parteien großteils mit Wohlwollen begrüßt worden. Fast alle Parteien lobten die Ministerwahl, die Draghi nach mehrtägigen Verhandlungen in Rom getroffen hat. Kritisiert wurde jedoch der niedrige Anteil an Ministerinnen in der Regierungsmannschaft. Im neuen technisch-politischen Kabinett, das am Samstag vereidigt wird, sitzen nur sieben Frauen.

"Die 5 Sterne-Bewegung wird Draghi mit Fairness und Loyalität unterstützen", versicherte der Interimschef der "Cinque Stelle", Vito Crimi. Er begrüßte ausdrücklich die Ernennung des Physikers und Managers des Rüstungskonzerns Leonardo, Roberto Cingolani, zum Superminister für den ökologischen Übergang, der mehrere Kompetenzen auch im Energiebereich übernimmt. Auf die Entstehung dieses Ministeriums hatten die Cinque Stelle hatnäckig gedrängt.

Die Aktivisten der Fünf Sterne-Bewegung hatten am Donnerstag mit 59 Prozent der Stimmen einer Beteiligung an einer Regierung um Draghi zugestimmt. Allerdings spaltete sich die Partei. Der Hardliner Alessandro Di Battista verließ die Gruppierung. Es sei unannehmbar, dass die Anti-Establishment-Partei in einer Koalition mit den einstigen Erzfeinden Lega und Forza Italia sitze.

Zufrieden mit der Regierung Draghi ist dagegen auch Sozialdemokraten-Chef Nicola Zingaretti. "Wir werden mit Überzeugung das neue Kabinett unterstützen. Jetzt heißt es, sich sofort an die Arbeit zu machen, um die Pandemie und die Folgen der schweren Wirtschaftskrise zu bekämpfen", so Zingaretti.

Die Regierung Draghi spaltet die Mitte-rechts-Allianz. Während Forza Italia und Lega sich loyal zur Regierung Draghi erklärten, bleibt die mit ihnen verbündete postfaschistische Partei "Fratelli d ́Italia" (FdI/Brüder Italiens) als einzige Oppositionskraft im Parlament. "Wir werden eine verantwortungsvolle und patriotische Opposition führen", kündigte Parteichefin Giorgia Meloni an, die von italienischen Medien gern mit der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen verglichen wird.

"Die Lega wird Zusammenhalt in der Koalition garantieren", betonte Lega-Chef Salvini, der einen scharfen Kampf gegen illegale Einwanderung und Mafia forderte. Forza Italia-Chef Silvio Berlusconi, der nach Ende seiner Regierungszeit 2011 wieder drei seiner Minister in das Kabinett hieven konnte, zeigte sich überzeugt, dass seine Partei Draghi ihre Regierungserfahrung zur Verfügung stellen werde.

Der Chef der Splitterpartei Italia Viva und Expremier Matteo Renzi, der mit dem Austritt seiner Partei aus dem Regierungsbündnis um Premier Giuseppe Conte vor einem Monat die Regierungskrise ausgelöst hatte, bezeichnete das Kabinett Draghi als "Regierung von hohem Niveau", die über einige Minister von "außerordentlichem Wert" verfüge. Renzi hatte sich stark für die Bildung einer Regierung um Draghi eingesetzt.

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