Conte (im Bild oben rechts neben Innenministerin Luciana Lamorgese und Staatspräsident Sergio Mattarella) eilte daher nach einem kurzen Sektempfang sofort zur ersten Ministerratssitzung in den Palazzo Chigi. Eine wichtige Charakteristik – gerade in diesen schwierigen Zeiten, wie in der Krise betont wurde – ist der europafreundliche Kurs der neuen Regierung. Dafür sorgen die proeuropäischen Sozialdemokraten, die sich Brüssel „zurückerobern“.
Kritische Vergangenheit
Die Fünf-Sterne-Bewegung hingegen gab sich in der Vergangenheit sehr europakritisch und scheute bei Budgetfragen keine Konfrontation. Etwa beim Grundeinkommen, das sie trotz massiver Staatsschulden durchsetzten. Doch nach Rebellion und Provokation gegen die „Diktatur aus Brüssel“, sind künftig versöhnliche Töne aus Rom zu erwarten. Dazu passt auch, dass Italien als neuen EU-Kommissar den früheren sozialdemokratischen Premier Paolo Gentiloni vorschlagen wird.
Das neue Kabinett, das im Rekordtempo auf die Beine gestellt wurde, muss sofort die Ärmel hochkrempeln. Bereits im Herbst wird das Haushaltsbudget für 2020 in Brüssel erwartet. Da die EU-Kommission Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro vorgibt, steht der neue Wirtschafts-und Finanzminister Roberto Gualtieri vor einer schwierigen Aufgabe. Mit dem erfahrenen EU-Parlamentarier übernimmt erstmals seit 20 Jahren ein Politiker das Amt. Bisher vertraute man bei Finanzgeschäften auf Technokraten.
"Anti-Salvini"
Einen Bruch mit der Vorgängerregierung soll der weibliche „Anti-Salvini“, in der Person von Innenministerin Luciana Lamorgese, vollziehen. Die parteilose Spitzenbeamtin steht für eine offenere Migrationspolitik und plant ein neues Einwanderungsgesetz. Lamorgese kennt das Geschäft: Die frühere Präfektin in Venedig und Mailand war unter dem als „linken Sheriff“ und „Hardliner“ bekannten, ehemaligen PD-Innenminister Minniti Kabinettschefin. „Ich erwarte allerdings keine radikale Kehrtwende in der Migrationspolitik, sondern eher eine Fortsetzung des Minniti Kurses, der ja schon rigoros war und in der Bevölkerung gut ankam“, erklärt Politologe Christian Blasberg von der Universität Luiss im KURIER-Gespräch.
Lega-Chef Salvini, der die Regierungskoalition mit den „Grillini“ platzen ließ, verfolgte fern von Rom, im Trentino, die Angelobung. „Sicher mit Bedauern und Tränen“, wie ein RAI Moderator kommentierte. Dem neuen Kabinett, an dem „alles falsch ist“, prophezeit Salvini ein kurzes Leben. „Bald gibt es Neuwahlen. Nach unserem Wahlsieg werden wir Italien 10 Jahre lang regieren“, twitterte er enttäuscht. „Salvini ist ein gewiefter Propagandist, auch wenn er sich diesmal verzockt hat“, warnt Blasberg. Er könnte noch als großer Sieger zurückkommen und weiteren Zulauf bekommen, denn er werde jeden Fehler der neuen Regierung zu seinen Gunsten ausschlachten.
Die Nominierung von Ex-Vizepremier Luigi Di Maio zum Außenminister sorgt wegen seiner fehlenden Kompetenz und mangelnden Sprachkenntnissen für Kritik. Blasberg fürchtet, dass Di Maio zu einer „Lachnummer“ in Europa werden könnte: „Er leistete sich viele Fauxpas. Sein außenpolitisches Profil ist zweifelhaft, er fiel bisher eher durch Halb- und Nichtwissen bei internationalen Beziehungen auf.“ Doch das Außenministerium hätte in Italien weniger Gewicht als etwa in Österreich oder Deutschland. In Italien gäbe das Innenministerium den Ton vor, das Außenministerium werde auch als Abstellgleis gesehen.
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