Israeli rettet Leben arabischer Kinder

Von israelischen Ärzten gerettet: Dooa
Jonathan Miles bringt herzkranke Kinder aus Nahost zur lebensrettenden Operation nach Jaffa.

Jasser schlägt die Augen auf. Sie schauen in eine betriebsame Welt. Neben seinem Bett im Wolfson-Hospital in Jaffa piepsen Monitore. Ärzte und Pflegepersonal laufen hin und her. Seinen Augen entgeht keine Bewegung. Sie reagieren auf jeden Pieps. Zwei Tage nach einer Operation am offenen Herzen blickt das nur wenige Monate alte Baby in eine neue Welt und Zukunft. Als sein Blick die Mutter neben ihm entdeckt, wechselt Neugier in Freude. Yasser lächelt. Zaghaft erst, dann aber mit offenem Mund. Er lacht.

Israeli rettet Leben arabischer Kinder
Wolfson-Hospital Baby Jasser
Karina im Bettchen nebenan schaut erschöpft in die Welt. EKG, CT, Ultraschall, Blutproben sind schon schwer genug. Ihr Herz pumpt nur schwach. Ihr Gesicht ist blau gefärbt. Sie hatte einen Schreikrampf, der die Untersuchung fast verhindert hätte. Zu wenig Sauerstoff, der jetzt intravenös zugeführt wird. Karinas Augen nehmen nur wenig wahr. Ihr Blick geht nach innen. Wo der Schmerz lebt.

Auch in den Augen der Mutter zeigt er sich. Die Untersuchungen waren nicht eindeutig. Nach Stunden der Ungewissheit folgt der Beschluss der Ärzte: Karina kann operiert werden.

Hilfe im Feindstaat

Jasser und Karina wurden beide mit einem Herzfehler geboren. Beide kommen aus Familien, die vor dem IS ins autonome Kurdistan flüchten mussten. Auf Sichtweite zum IS gibt es für diese Kinder keine Hilfe. Keine 1000 Kilometer entfernt gibt es sie. In Israel. Doch der Weg zum Feindstaat ist durch mehr als eine Grenze versperrt.

Jonathan Miles öffnet diesen Weg. Der 57-jährige US-Amerikaner hat nicht genau gezählt, wie viele Kinder aus Nahost mithilfe seines christlichen Vereins Shevet Achim in Israel operiert werden konnten. Im Jahr bringt er mehrere Dutzend hin und auch zurück. Ein ständiger Kampf um Pässe und Visen mit Behörden, Konsulaten und Geheimdiensten. Allein die medizinische Vorbereitung dieser Reisen ist problematisch.

Miles erzählt von Malek, dem ersten Baby, das er im Irak-Krieg 2003 aus einem kleinen Dorf nördlich von Bagdad nach Tel Aviv brachte. Eine schwierige Katheterisierung des Herzens war vor der Reise unumgänglich. Miles schaffte es, den verantwortlichen Arzt in Bagdad mit dem wartenden Chirurgen in Tel Aviv telefonisch zu verbinden. Miles lacht: "Der Arzt in Bagdad war ein Verwandter des kurz zuvor besiegten Diktators Saddam Hussein."

Letztlich erreichte der kleine Malek Tel Aviv, doch überlebte er den Eingriff nicht lange. Zu viel Zeit war seit seiner Geburt vergangen. Misserfolg oder Erfolg, Glück oder Zufall, Jonathan Miles hört in allem die Stimme Gottes. "Und die sagt mir immer: Mach weiter." Maleks Eltern erzählten anderen Familien von ihren Eindrücken und den Möglichkeiten in Israel. So fanden weitere Patienten den Weg zu Shevet Achim.

Angst als Begleiter

Die erste Hürde sind die Eltern. "Viele haben Angst. Ist Israel doch der Teufel, wie sie es aus jahrelanger Propaganda gelernt haben." Nicht immer überwindet die Angst um das Kind die Angst vor Israel. Kommt hinzu die Angst vor Repressalien lokaler Behörden. Nicht einmal alle Verwandten wissen daher von der Reise zum Feind.

Israeli rettet Leben arabischer Kinder
Wolfson-Hospital Karina
Wochen, auch Monate, vergehen für unumgängliche bürokratische und medizinische Vorbereitungen. Teure Zeit. Für Malek reichte sie nicht.

Zurzeit kommen die Kinder vor allem aus der neuen kurdischen Autonomie-Region: Moslems, Christen, Jesiden, Chaldäer, Araber, Kurden, Turkmenen. Kommt hinzu das Pflegepersonal im Wolfson mit Juden aus aller Welt und Arabern aus Israel. Eine bunte Mischung, wie sie sogar in Israel einmalig ist. Die Kinder und ihre Begleiter leben in zwei Gästehäusern von Shevet Achim in Jerusalem und ein neueres in Jaffa. Meist über Wochen, einige auch Monate. Eine Gemeinschaft, in die das Schicksal zwingt. Shevet Achim ist das hebräische Wort dafür.

Im Wolfson-Hospital hat die Organisation "Save a Child’s Heart" (SACH) ihren Sitz. Seit 1995 wurden mit ihrer Hilfe über 3400 Kindern aus aller Welt im Wolfson-Hospital am offenen Herzen operiert. SACH bringt sie aus Afrika, Südamerika und sogar Ost-Timur. Doch der Kontakt mit den benachbarten arabischen Staaten ließ sich schwerer an. Hier tritt Shevet Achim als Vermittler auf. Der Verein knüpft die Kontakte in die arabische Welt.

Das Wolfson-Hospital stellt Einrichtung und Ausrüstung zum Selbstkostenpreis in Rechnung, für Folgekosten den niedrigeren Inlandskassentarif. Die häufig freiwillige Arbeit des Personals erscheint ohnehin auf keiner Rechnung.

Gottvertrauen

Israeli rettet Leben arabischer Kinder
Wolfson-Hospital Jasser (2 Jahre alt)
Geld ist kein Thema für Jonathan Miles. Gott kümmert sich auch um die Buchhaltung. "Immer wenn das Geld ausgeht, kommt von irgendwoher neues." Bei Investoren heißt das risikofreudig. Bei Miles Gottvertrauen.

Nur private Hilfe kommt infrage. Staatliche Hilfe wäre zu riskant für den kleinen Verein, der sich mit keinem Staat anlegen darf. "Meist spenden gläubige Christen wie wir. Die sparen sich das ab. Was vielen von ihnen nicht leichtfällt."

Sie kommen wie die Volontäre aus aller Welt. Ruth aus dem Erzgebirge. Mit Eva aus Dresden und Rebecca aus China betreuen sie Patienten und Angehörige auf der Kinderstation und in den Gästehäusern. Ruth erzählt von Dooa, die vor einem Jahr operiert wurde. Ihre Mutter, eine Kurdin aus Dochaq, war im 5. Monat schwanger. In Israel erlitt sie eine Frühgeburt. "Sie verlor ein Kind und sie gewann ein Kind. Wer kann da noch Freude und Trauer trennen?"

Die gelernte Krankenpflegerin hat ein wenig Arabisch und Kurdisch gelernt. Mehr als vier Jahre hilft sie jetzt schon bei Shevet Achim. Bald ist ihr Visum abgelaufen. "Bis dahin arbeite ich hier weiter, so gut ich kann." Für ein Taschengeld. Was kommt danach? Inschallah. Oder Gottvertrauen.

Das lange Warten verbringen Volontäre und die kleinen Patienten aus aller Welt gerne in der Spielecke der Kinderstation. Die meisten sprechen Arabisch. Wie ein großer Teil des Wolfson-Personals. Und wenn Asteria aus Tansanien und Lisan aus dem Irak keine gemeinsame Sprache beim Streit um einen blauen Bauklotz finden, muss auch mal ein Machtwort gesprochen werden: Deutsch, Chinesisch, Englisch, Hebräisch ...

Schwer zu sagen, wer hier Moslem, Christ oder Jeside ist. Alle sind sie Patienten. Mit breiten Narben am Brustkorb, die wortlos von Wunden erzählen und von Heilung. Wunder, würde Miles sagen, der noch kurz vor Weihnachten irgendwo in Jordanien wieder mit Gott, Beamten und Eltern redet. Dabei muss hier im Wolfson niemand an Wunder glauben. Aber es hilft. Vor allem den Realisten.https://www.shevet.org/de

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