Israel unter Verdacht: Massengrab im Gazastreifen wirft Fragen auf

Israel unter Verdacht: Massengrab im Gazastreifen wirft Fragen auf
Im Massengrab wurden 15 tote Hilfsarbeiter im Gazastreifen gefunden. Der Fall dürfte nun vor einem Militärgericht landen.

Für Israels öffentliche Meinung sind nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 mit 1.200 ermordeten israelischen Zivilisten die Zigtausenden zivilen palästinensischen Opfer im Krieg gegen die Hamas nur ein Randthema. 

Doch der Fund eines Massengrabs Ende März mit den Leichen von 15 Sanitätern und UN-Helfern im südlichen Gazastreifen wirft auch in Israels Medien Fragen auf.

Videoaufnahmen belegen Angriff auf gekennzeichnete Krankenwagen

Die 15 Toten waren offenbar gut erkennbare Ambulanzen und Sanitäter, erschossen von israelischen Soldaten. Das Völkerrecht sieht darin ein Kriegsverbrechen, schließlich war die Umgebung vor dem Beschuss nicht als Frontbereich ausgerufen worden. Erst im Nachhinein sperrte die Armee den Bezirk für fünf Tage. Danach fanden UN-Mitarbeiter die 15 Leichen im Sand verscharrt. „Aus kurzer Distanz erschossen“, heißt es in ihrem Bericht, wie auch „teilweise gefesselt“.

Israels Armeesprecher Daniel Hagari gab zunächst bekannt, die Krankenwagen seien nicht gekennzeichnet gewesen und hätten sich „auf verdächtige Art“ bewegt. Ein Videoclip auf dem Smartphone eines Getöteten bewies jedoch das Gegenteil. Daraufhin befahl der Armeechef die Untersuchung des Zwischenfalls.

Armeesprecher nicht für Falschmeldungen bekannt

In der Vergangenheit konnte der Missbrauch medizinischer Einrichtungen durch bewaffnete Hamas-Kämpfer mehrfach nachgewiesen werden. Trotzdem müssen die Befehlshaber vor Ort Angriffe auf Krankenwagen wie Krankenhäuser zuvor von der höchsten Befehlsebene bestätigen lassen.

Der Verdacht liegt nahe, dass dies nicht geschah. Armeesprecher Hagari hätte sonst kaum seine irreführende Stellungnahme veröffentlicht. Wahrscheinlicher ist, dass er auch diesmal selbst durch gefälschte Angaben der Verantwortlichen vor Ort getäuscht wurde.

Israels Armeesprecher verschweigt vieles. Für gezielte Falschmeldungen ist Hagari aber nicht bekannt, fliegt Vertuschung doch am Ende fast immer auf. In der Vergangenheit gab es sogar Zwischenfälle, in denen der Armeesprecher Fehlverhalten von Soldaten voreilig bestätigte. Was sich im Nachhinein aber als falsch erwies. 

Verfahren vor Militärgericht scheint unausweichlich

Daher dürften die internen Ermittlungen kaum mit dem Ziel einer Vertuschung durchgeführt werden. Nachsicht wird es bei falschen Angaben von Offizieren aus Kampfgebieten kaum geben. Interne Vertuschung in der Befehlskette wird streng disziplinarisch bestraft. 

Was letztlich von der anstehenden Untersuchung veröffentlicht wird, ist eine andere Frage. In diesem Fall aber sollte auch die Armeeführung ein Interesse an weitgehender Transparenz haben. Wie es aussieht, ist ein Verfahren vor einem Militärgericht unausweichlich.

Wie alle Militärgerichte ziehen auch die israelischen die besonderen Umstände im Frontkampf in Betracht. Als Weichspüler sind sie trotzdem nicht bekannt. Ihre Urteile wurden in der Vergangenheit international anerkannt.

Israel will den IStGH auf jeden Fall umgehen

Ginge ihr guter Ruf verloren, könnten mutmaßliche Kriegsverbrechen dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) vorgelegt werden. Er verhandelte im Vorjahr bereits Klagen gegen Israels politische Führung. Was mit dem Erlass von Haftbefehlen gegen Premier Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant endete und einen gewaltigen Imageschaden bedeutete.

Schließlich hatte der IStGH neben Netanjahu und Gallant auch gegen Hamas-Anführer Yahya Sinwar einen Haftbefehl ausgeprochen. Diese juristische Gleichstellung einer demokratisch gewählten Regierung mit der islamistischen Hamas-Miliz stieß auf internationale Kritik, berief sich das Urteil doch zum Teil auf Hetzreden israelischer Minister und Politiker; ohne dass diese Personen an der eigentlichen Kriegsführung beteiligt waren.

Trotzdem muss Netanjahu seine Auslandsbesuche diese Woche auf Ungarn und die USA beschränken - zwei Staaten, die nicht Mitglied des IStGH sind. Doch soll in Washington auch die Kriegslage im Gazastreifen Thema sein. Die Kämpfe dort verschärfen sich wieder. US-Präsident Trump aber versucht weiter, eine Neuauflage des im März gescheiterten Waffenstillstands zu erreichen.

Neuerliche Justizreform in Israel?

Israels neuerliche innenpolitische Turbulenzen dürften kaum besprochen werden. Dabei versucht Israels Regierung trotz Kriegszustands und heftiger Straßenproteste erneut die Zuständigkeit der Gerichte und somit Israels Rechtsstaatlichkeit einzuengen, womit sie 2023 noch scheiterte. 

Ausgerechnet Justizminister Yariv Levin drohte jetzt ohne Umschweife damit, unbequeme Urteile des Obersten Gerichts in Zukunft einfach zu missachten. Auch der gute Ruf der israelischen Justiz ist für ihn nur ein Randthema.  

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