Über Tiktok läuft das besser als mit Flyern. So hat der Gleichstand von 60 zu 60 Mandaten zwischen dem linken und rechten Block nur wenig Chancen, sich auch nur um ein Mandat zu verschieben. So sehen es auch die letzten Umfragen.
Allgemeine Wahlmüdigkeit
Vor dem Busbahnhof in Beer Schewa wartet Michelle in ihrem Taxi auf Fahrgäste. Auf die Frage, ob sie für die Wahlen am Dienstag schon von einer Partei als "Wählerkutsche" bestellt wurde, winkt sie ab: "Die müssen sparen. Fünf Wahlen in vier Jahren! Das geht ins Geld. Sogar für die Parteien, nicht nur bei uns Selbstständigen."
Eine allgemeine Wahlmüdigkeit, die peinlich werden kann. So stellte der Likud einen Lkw mit einem teuren, schusssicheren Glasbühnen-Aufsatz für Netanjahu-Reden wieder in die Garage. Es hagelte nur Spott: "Wahlreden mit Fahrerflucht", "Bibimobil für den Heiligen Vater".
Dabei begann der Wahlkampf im Sommer keineswegs verschlafen. Die rechte Opposition setzte entschlossen zur Rückeroberung der Macht an. Rechte Aktivisten prügelten auf linke Demonstranten ein. Hinzu kam eine Gewaltwelle in den besetzten Gebieten, die eine Hetzkampagne gegen arabische Parteien erleichterte. Präsident Isaac Herzog mahnte Mäßigung ein. Netanjahu, sogar in Hooligan-Kreisen liebevoll "Bibi" gerufen, hatte aber auch noch andere Gründe, seine Schläger zurückzupfeifen: Die Prügelbilder schreckten die dringend benötigten Wechselwähler ab.
Die Krawalle gingen vor allem auf das Konto des offen rassistisch auftretenden Itamar Ben Gvir und seiner Partei "Jüdische Macht". Es war Netanjahu, der diese Randgruppe im Vorjahr in den rechten Block holte. Jetzt wird er die selbst gerufenen Ungeister nicht mehr los.
Nicht nur schreckten sie gemäßigte Stimmen ab, sie zogen auch noch Stammwähler von Netanjahus Likud und den mit ihm verbündeten ultra-orthodoxen Parteien zu sich herüber. In einer heimlich aufgenommenen Tonaufnahme kam dazu an die Öffentlichkeit, was die Rechtsextremisten über ihren Partner dachten: "Bibi ist ein Lügner und Lügensohn", war ein Vertreter der "Jüdischen Macht" deutlich zu hören. Auf einer öffentlichen Veranstaltung weigerte sich Netanjahu, die Promi-Bühne zusammen mit Ben Gvir zu betreten. "Er möchte ihn haben, aber nicht spüren", zitierte ein Kommentator eine BH-Werbung.
Doch auch wenn "Bibi" ein Bild mit dem Krawall-Rassisten Ben Gvir um jeden Preis vermeiden will, als Minister in einer gemeinsamen Regierung kann er ihn nicht ausschließen.
Ganz ähnlich sind die Probleme der Linken: Auch hier verschieben sich die Stimmen nur innerhalb des Blocks. Wechselwähler von der anderen Seite bleiben aus.
Lapid profilierte sich
Vor allem Premier Jair Lapid, erst seit Juli im Amt, legte an Popularität zu, profilierte sich durch diplomatische Erfolge vor der UNO, mit den neuen Partnern am Golf und einem Gas-Abkommen mit dem verfeindeten Libanon.
All das kümmert Oma Schatzki nur wenig. Vor der Kasse verkündet sie laut hörbar: "Alle rufen bei mir mindestens ein Mal am Tag an. Ich wähle aber seit über 50 Jahren immer nur die größte Partei. Weil die entscheidet. Und das sind diesmal wir Nichtwähler."
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