Termingerecht und mit viel Eigenlob: "Bibi" Netanjahus Autobiografie
Nur noch zwei Wochen bis zur israelischen Parlamentswahl. Doch der Wahlkampf plätschert träge vor sich hin. Einfach zu wahlmüde ist das Volk bei diesem bereits fünften Urnengang seit 2019. Oppositionschef und Ex-Premier Benjamin Netanjahu versucht jetzt, die Israelis mit seiner termingerecht erscheinenden Autobiografie in Schwung zu bringen. „Bibi – die Story meines Lebens“, lautet der Titel. Kurzzusammenfassung: flüssig in Ich-Form geschriebenes Eigenlob.
Ewiger Gleichstand
Was die Wähler freilich auch in den jüngsten Umfragen nicht dazu gebracht hat, umzudenken. Der „ewige Gleichstand“ zwischen dem rechten („Nur mit Bibi“) und dem Mitte-Links-Block („Nur ohne Bibi“) besteht weiter.
Ich – meine Familie – mein Israel. In dieser Reihenfolge erzählt Netanjahu sein Leben. Mehr Narrativ als Tatsache. Fehler und Niederlagen sind selten und dienen allenfalls dazu, seine Qualitäten als Stehaufmännchen zu betonen. Originalzitat: „Diesmal schien es wirklich das Ende zu sein. Warum nicht abdanken und endlich unser Leben leben? Doch gerade in dieser entscheidenden Minute stand meine Frau Sarah wie ein Felsen unverrückbar neben mir. Bibi, sagte sie, das ist unser Leben.“ Sogar die unumstrittenen Erfolge Netanjahus kommen auf 600 Seiten zu kurz. Wichtiger ist ihm, Konkurrenten, Gegner und Widersacher runterzumachen. Soll heißen: Korruptionsvorwürfe zu entkräften. Schuld umzukehren. Gegen Justiz, polizeiliche Ermittler und allen voran die feindliche Presse anzuschreiben. Die anderer werden herabgesetzt oder ignoriert.
Wie soll und kann Israel in Zukunft aussehen? Im Selbstporträt, das Netanjahu malt, ist das nicht einmal im fernen Hintergrund verschwommen zu erkennen. Selbiges gilt für sein Wahlprogramm, in dem es vor allem um das politische Überleben des wegen mehrfacher Korruption angeklagten Netanjahu geht. Politische Ziele werden nicht konkretisiert. Hetze und Verzerrung dominieren.
Doch er hat eigentlich leichtes Spiel. Denn Israels Mitte-Links-Lager zeigt ohne eigene Vision bloß mit Retourkutschen gegen Bibis Überlebensnarrativ: Die äußerst Bibi-unfreundliche Zeitung Haaretz bringt eine eigene Darstellung von der Karriere Netanjahus als Elitesoldat. Wahres Heldentum sähe demnach anders aus ...
Erneut Patt erwartet
Im Wahlkampf rächt sich jetzt, dass von Links in den vergangenen Jahren kein Gegenangriff auf die anti-arabische Hetze Netanjahus gestartet wurde. „Koalitionen nur ohne arabische Parteien“, tönte es auch aus der politischen Mitte. Doch ohne arabische Parteien hat der Anti-Bibi-Block überhaupt keine Chance, erneut eine alternative Regierung – so wie 2021 – zu bilden.
Doch wie es aussieht, sind die arabischen Wähler noch müder als die jüdischen. Der Gleichstand und die Unfähigkeit Israels, eine stabile Regierung zu bilden, scheint vorprogrammiert.
Bleibt da noch eine kleine Randnotiz des Verlegers der Autobiografie: Ein neues Buch aus der Tastatur Netanjahus sei bereits in Arbeit. Viele fragen sich: Geht der Verleger schon davon aus, dass sein Autor in Zukunft viel Zeit zum Schreiben haben wird?
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