Israel: Netanyahu-Partei versteckte 1.200 Kameras in Wahllokalen

Israel: Netanyahu-Partei versteckte 1.200 Kameras in Wahllokalen
Die Aufnahmen wurden in mehrheitlich arabischen Wahlbezirken gemacht. Netanyahus Rechts-Block dürfte die Wahl gewonnen haben.

Bei der Parlamentswahl in Israel liefern sich der rechtskonservative Likud von Regierungschef Benjamin Netanyahu und das Oppositionsbündnis Blau-Weiß von Ex-Militärchef Benny Gantz ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beider haben nach Auszählung fast aller Stimmen 35 von 120 Mandaten erhalten.

Netanyahus Lager rechter und religiöser Parteien kann aber mit einer Mehrheit von 65 der 120 Mandate rechnen. Daher ist davon auszugehen, dass der 69-Jährige erneut mit der Regierungsbildung beauftragt wird und zum fünften Mal Ministerpräsident wird.

Gantz gibt noch nicht ganz auf

Der oppositionelle Ex-Militärchef Gantz wollte sich am Mittwoch noch nicht geschlagen geben. Er schrieb nach Medienberichten Mitstreitern aus seiner Partei: "Es zeichnen sich zwar dunkle Wolken ab, aber nichts ist endgültig, Bewegungen sind noch möglich, und wir können noch politische Vorstöße unternehmen." Man habe den Wählern Hoffnung gegeben, und das Ergebnis von Blau-Weiß sei ein "beispielloser historischer Erfolg", schrieb er den Angaben zufolge.

Derzeit müssen nach Angaben der Nachrichtenseite "ynet" noch rund 200.000 Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen, Matrosen sowie Patienten in Krankenhäusern ausgezählt werden. Das Endergebnis werde am Donnerstagabend oder Freitagmorgen vorliegen.

 

Israel: Netanyahu-Partei versteckte 1.200 Kameras in Wahllokalen

Blau-Weiß-Chef Benny Gantz

Aufregung um Kameras

Besonders niedrig war die Wahlbeteiligung unter den israelischen Arabern. Bereits am Wahltag hatte der Likud mit heimlichen Kameraaufnahmen in mehrheitlich arabischen Wahlbezirken für Empörung gesorgt. Die größte arabische Partei des Landes erklärte am Dienstag, sie habe Beschwerde beim Wahlkomitee eingereicht. 1200 Parteimitglieder und Wahlbeobachter des Likud sollen laut Medienberichten mit Kameras ausgestattet worden sein.

Auf online veröffentlichten Videos ist offenbar zu sehen, wie Likud-Mitglieder mit Kameras erwischt wurden, die sie am Körper trugen. Die Filme zeigen, wie sie von Wahlbeobachtern und der Polizei angesprochen werden.

Ahmed Tibi von der arabischen Taal-Partei sagte am Dienstag, der Likud versuche durch verdeckte Mittel, den Wahlausgang zu beeinflussen. Die Partei sieht die Aufnahmen als Einschüchterungsversuch. "Netanyahu will den Anteil der Araber senken, die ins Wahllokal kommen", sagte Tibi

Netanyahu: "Überall versteckte Kameras"

Netanyahu wies die Kritik zurück und sagte, die Aufnahmen sorgten für saubere Wahlen. "Es sollte überall versteckte Kameras geben", sagte er in einem Wahllokal in Jerusalem. Kobi Massar, der den Likud im Wahlkomitee vertritt, sprach in einem Radiointerview von einem "Verdacht auf weitreichenden Wahlbetrug im arabischen Gebiet".

Israelische Araber machen etwa 17,5 Prozent der Bevölkerung aus. Bei ihnen handelt es sich meist um Palästinenser, die nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 weiter auf ihrem bisherigen Land blieben. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2015 hatte Netanyahu für Aufsehen gesorgt als er sagte, arabische Wähler kämen "in Herden" zu den Wahllokalen. Später entschuldigte er sich für diese Äußerung.

 

Israel: Netanyahu-Partei versteckte 1.200 Kameras in Wahllokalen

Bis zum 23. April muss Präsident Rivlin entscheiden, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dies dürfte jedoch früher geschehen. Für den 23. April ist die feierliche Eröffnungssitzung der 21. Knesset geplant. Bis Ende Mai wird erwartet, dass die neuen Koalitionspartner ihren Vertrag unterzeichnen. Damit könnte bis Anfang Juni eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen.

Sowohl Netanyahu als auch sein Herausforderer Gantz hatten noch in der Wahlnacht ihren Sieg erklärt. In seiner Siegesrede sprach Netanyahu von einem "unvorstellbaren Erfolg".

Die anderen Parteien erzielten lediglich Mandate im einstelligen Bereich. Die strengreligiösen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum kamen jeweils auf acht Mandate. Die Arbeitspartei kam auf nur sechs Sitze, genau wie die arabische Partei Hadash-Taal. Die Partei Die Neue Rechte von Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked verpasste vermutlich den Einzug in das Parlament. Die ultrarechte Israel Beitenu von Avigdor Lieberman und die Union rechter Parteien erhielten jeweils fünf Mandate.

Kulanu von Finanzminister Moshe Kachlon kam auf vier Mandate, ebenso wie die linke Merez-Partei und die arabische Partei Balad-Vereinigte Arabische Liste.

Rechnerisch möglich wäre nach den Ergebnissen auch eine Große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Allerdings hatten sowohl Netanyahu als auch Gantz im Wahlkampf gesagt, sie würden nicht mit dem jeweils anderen in einer Regierung sitzen wollen.

Netanyahu führte zuletzt eine Regierungskoalition mit den rechten und strengreligiösen Parteien an. Die Wahlen waren wegen einer Regierungskrise vorgezogen worden. Ursprünglich waren sie erst für November angesetzt gewesen.

Seit zehn Jahren im Amt

Netanyahu ist seit 2009 durchgängig im Amt. Er war auch von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Er steht aktuell wegen Korruptionsvorwürfen massiv unter Druck. Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanyahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat aber noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanyahu weist alle Vorwürfe zurück.

US-Präsident Donald Trump will nach der Wahl seinen lange erwarteten Friedensplan zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern präsentieren.

Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, kritisierte das Wahlergebnis. "Israelis haben dafür gestimmt, den Status quo zu erhalten, was die Besatzung von Palästina angeht", schrieb Erekat auf Twitter. "Prognosen zeigen, dass nur 18 Mitglieder des Parlaments mit 120 Sitzen zwei Staaten in den Grenzen von 1967 unterstützen."
 

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