Nach dem US-Bombenangriff: Wie arabische Israelis zum Iran-Krieg stehen

Israeli Arabs protest in the city of Umm al-Fahm
Eine große Mehrheit lehnt den Angriff auf den Iran ab. Und viele bekommen die Ressentiments radikaler Israelis zu spüren. Die Spannungen steigen.

Aus Haifa von Markus Ponweiser

Bohrlärm hallt aus einem alten Häuserblock am Hang, auf der Straße in diesem Viertel der israelischen Stadt Haifa riecht es nach Staub und Zement. Trotz Krieges wird gearbeitet – Rohre müssen verlegt, Stromleitungen ersetzt werden.

Sully, 36, steht vor dem Gebäude, in dem er und seine Kollegen gerade eine Wohnung renovieren. „Vor ein paar Tagen ging direkt vor Arbeitsbeginn der Raketenalarm los“, erzählt er. 

„Und am Nachmittag, kaum war ich zu Hause, der nächste. Wenn du dich den ganzen Tag körperlich verausgabst und dann noch mental so eine Last tragen musst, bist du schnell am Limit.“

Heute ist es ruhig, zum ersten Mal seit Tagen. Aber keiner weiß, wie lange noch. Besucher sind auf der Baustelle nicht erlaubt – aus Sicherheitsgründen, wie der Chef erklärt. Nicht wegen des Kriegs, sondern wegen der üblichen Arbeitsschutzvorschriften.

Auch wenn es jetzt neue Gefahren gibt, macht das die herkömmlichen nicht weniger gefährlich. Das Gespräch findet deshalb auf dem Gehsteig statt, untermalt vom Surren eines Bohrers.

Sully und seine Kollegen sind arabische Israelis, wie viele im Stadtviertel Hadar. „Weil es kein Krieg gegen Araber ist, geht er uns emotional weniger nahe“, sagt er. Manche hätten Familie in Gaza, aber niemand im Iran.

„Trotzdem nehmen ihn alle ernster – jeder weiß, wie zerstörerisch iranische Raketen sein können. Wenn Sirenen heulen, rennt jeder sofort zum Bunker.“

Auch im Alltag spürt Sully eine Veränderung: „Früher hatte ich oft den Eindruck, viele meiner jüdischen Freunde und Bekannten weichen dem Thema Krieg aus, jetzt reden sie offener.“

Zwei Drittel der Araber gegen Iran-Krieg

Was für ihn bleibt: „Not verbindet. Juden und Araber laufen gemeinsam in die Bunker, helfen einander. Es passiert einfach, ohne große Worte.“

Doch die Trennlinien bleiben weiterhin spürbar. Laut einer Umfrage des Israel Democracy Institute befürworten 82 Prozent der jüdischen Israelis den Angriff auf die iranischen Atomanlagen, während 66 Prozent der arabischen Israelis ihn ablehnen.

Viele Araber vermuten ein politisches Kalkül von Premier Benjamin Netanjahu. Außerdem ist das islamische Regime in Teheran für sie nicht der Todfeind, als der es in der jüdischen Mehrheitsgesellschaft gilt.

Und dann gibt es Momente, in denen die Gräben in aller Deutlichkeit  wieder sichtbar werden. Sully erzählt von einem Video, das in sozialen Netzwerken kursierte: Der Nachthimmel über Tamra, einer arabischen Stadt in der Nähe von Haifa, Sekunden bevor Raketen dort einschlagen.

"Möge euer Dorf brennen"

Im Hintergrund: die Rufe jüdischer Israelis. Lautstark skandieren sie „Auf das Dorf dort!“ und „Möge euer Dorf brennen!“ Vier Menschen kamen bei dem Angriff tatsächlich ums Leben. Das Video löste Empörung aus, Politiker verurteilten es scharf, die Polizei kündigte Ermittlungen an.

„So etwas ist hart“, sagt Sully. „Man fragt sich, ob man in Haifa, wo das Zusammenleben meist gut funktioniert, vielleicht doch in einer Blase lebt.“ Dabei wünscht er sich vor allem eines: Ruhe.

Aftermath of Iran's strike on Israel

Iranische Raketen machen keinen Unterschied zwischen arabischen und jüdischen Israelis  

Sully hatte sich im August 2023 einen Traum erfüllt und eine kleine Bar eröffnet. Wenige Monate später kam der Schock des 7. Oktobers 2023 und  der Krieg gegen die Hamas. Die Kundschaft blieb aus, die Stimmung kippte.

Im Herbst 2024 folgten die Kämpfe mit der Hisbollah. Wochenlang Raketenbeschuss, täglich Sirenen, Lieferprobleme, auch beim Bier. „Es kam kaum jemand mehr.“ Vor einem Monat musste er schließen. Seitdem steht er wieder auf Baustellen.

Jetzt hofft Sully, dass wenigstens dieser Krieg bald endet – und dass die Zeit danach nicht einfach alles zurückdreht. „Wir haben gesehen, dass Zusammenhalt möglich ist“, sagt er. „Vielleicht bleibt ja etwas davon.“

Dann dreht er sich um und geht zurück zur Arbeit. Der Bohrlärm dröhnt weiter, als wäre es ein Tag wie jeder andere.

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