Endlich Aussicht auf Frieden: Israel und Gaza jubeln über Trumps Deal

Celebrations in Tel Aviv after Gaza peace deal announcement
Heute wird endlich wieder gelacht – sowohl in Israel als auch im Gazastreifen: Die Geiseln kommen heim, die Vertrieben auch. Dass vieles ungeklärt ist, ist da Nebensache.

Freudentänze vor dem National-Theater in Tel Aviv, mitten in der Nacht, im ersten Regenschauer dieses Winters. Unter einem Dach aus Fahnen, blau-weiße Davidsterne flattern hier neben US-Sternenbannern im Wind.

Als die Nachricht mit der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump übers Radio kam und die Geiselangehörigen auf ihrer Nachtwache überraschte, brach urplötzlich Freude aus. Nach 734 Tagen Krieg werden alle israelischen Geiseln aus den Kerkern der Islamisten im Gazastreifen entlassen. Laut Trump sollen sie am Montag oder Dienstag nach Hause kommen. Endlich.

„Heute wird gelacht“

In aller Ruhe schaut Dani Miron dem Tanzen um ihn zu. Mit seinem weißen glänzenden Bart ist er nicht zu übersehen. In den letzten zwei Jahren war er fast täglich in den Medien. Immer wieder klagte er die Regierung an, seinen Sohn Omri im Stich gelassen zu haben. Im Freudentaumel um ihn herum will er sich an diesem Tag nicht dazu äußern. Eine Frau, die ihn weinend umarmt, tröstet er mit einem Bibelspruch: „Es ist eine Zeit zu Weinen und eine Zeit zu lachen. Heute wird gelacht.“

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Am „Geiselplatz“ in Tel Aviv fielen sich Menschen in die Arme.

Wie immer steht auch Rotem Kopper mit den Angehörigen. Lächelnd schaut er ihrem Tanzen zu. Sein Vater Amiram wurde in Gefangenschaft ermordet. Lächelnd schaut er zu, wie sich ein Ring aus Tänzern um einen Mann mit Trump Maske bildet: „Heute soll auch Dank gesagt werden, wem Dank gebührt. Donald Trump, der letztlich unseren Premier zwang, in ein Abkommen einzuwilligen. Ohne Trump gäbe es dieses Abkommen nicht.“

Große Verzichte

Beide Seiten, Hamas und Israel, zahlen in diesem Deal einen hohen Preis. Israel entlässt über 2.000 verurteilte Terroristen aus den Gefängnissen. Mit der Übergabe der militärischen Kontrolle des Streifens an eine internationale Truppe verzichtet Israel weitgehend auf seine weitgehend freie Hand im Gazastreifen. Die Hamas erhielt nicht alle von ihr geforderten Garantien, die das Ende des Krieges absichern sollen. Dazu macht diesmal die Freilassung der Geiseln den Anfang. Erst danach erst beginnt der Rückzug der israelischen Armee. Auf neue Frontlinien, die Israel die Kontrolle über die Hälfte des Gazastreifens belassen. Bis auf Abruf.

Wobei die Stufe zwei nach der Entlassung der Geiseln noch nicht genau geregelt ist. Was den Unterhändlern mehr Spielraum in den kritischen Fragen zur Entwaffnung der Hamas und zu ihrem anstehenden Verzicht auf Verwaltungsmacht lässt. Davor stehen weitere Verhandlungen an, doch ohne dass Hamas die Geiseln als Faustpfand einsetzen kann. „Verhandlungen im Nachhinein“ kritisieren islamistische Scharfmacher diesen Verzicht.

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Donald Trump wird auf beiden Seiten als Held gefeiert – auch Netanjahu dankte ihm persönlich für seinen Einsatz.

Gazas Bevölkerung aber bejubelt das Abkommen wie auch die Palästinenser im besetzten Westjordanland. Was letztlich zählt, ist das Kriegsende. Zum ersten Mal nach zwei Jahren steht die Möglichkeit eines Wiederaufbaus glaubhaft am Horizont. „Das Wichtigste ist, dass wir wieder nach Hause können“, freut sich Adnan, der mit Frau und vier Kindern in zwei Kriegsjahren drei Mal vor den Kämpfen flüchten musste. Sein Haus in Dschabalia wird kaum noch bewohnbar sein: „Aber es ist unser Haus, unser Platz. Dann leben wir erst einmal weiter im Zelt. Das tun wir hier im Evakuierungslager auch.“

Netanjahu unter Druck

Nur Netanjahus rechte Koalitionspartner jubeln nicht. „Wir haben mit diesem Abkommen unsere Kriegsziele nicht erreicht. Nicht die Entwaffnung und nicht die Entmachtung der Hamas wird vollständig durchgesetzt. Die Hamas wird irgendwann wieder angreifen“, erklärte Finanzminister Bezalel Smotrich am Donnerstag. Das Kriegsziel der Befreiung aller Geiseln lässt er dabei geflissentlich aus.

Smotrich kündigte an, am Freitag im Kabinett gegen das Abkommen zu stimmen. Doch hütete er sich, mit Austritt zu drohen. Er könnte so das Abkommen nicht verhindern, das mit den Stimmen der Opposition rechnen kann. In Neuwahlen, die beim Bruch der Koalition angesetzt werden müssten, wären für alle Koalitionsparteien die Aussichten im Moment nicht gerade rosig.

Trump kommt zu Besuch

Doch auch wenn die Wahlen nicht vorgezogen werden – 2026 sind sie spätestens im Oktober fällig. Netanjahu als erprobter Wahlkämpfer weiß, dass er seine Politik ändern muss. In den letzten zwei Jahren stellte er sich frontal gegen die öffentliche Meinung, um seine Koalition nicht zu gefährden. Doch über 70 Prozent der Wähler forderten einen Geisel-Deal, den seine rechtsextremen Minister ablehnten. Auch viele seiner Stammwähler wandten sich von ihm ab. Er glaubt, in der noch verbliebenen Zeit bis zu den Wahlen die Stimmung gegen ihn wieder drehen zu können. Ein Bruch der Koalition und eine Trennung von den Scharfmacher könnte ihm im Wahlkampf sogar nützlich sein.

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Endlich Aussicht auf Frieden: Jubel im Gazastreifen.

Ebenso wie der am Sonntag erwartete Blitzbesuch Trumps in Jerusalem. Der Urheber des Abkommens will bei der Rückkehr der Geiseln dabei sein. Trump im Zentrum der Bilder, die in alle Welt ausgestrahlt werden. Erste Versuche Netanjahus, die Urheberrechte für sich zu beanspruchen, kamen nur bei seinen blind folgenden Anhängern an. In Allen Medien Israels gehört das Abkommen Trump. Selbst die Friedensnobelpreis-Jury in Oslo dürfte mittlerweile seinen Namen gehört haben. Netanjahu rechnet trotzdem im Windschatten Trumps auf Image-Verbesserungen.

Auf dem Theaterplatz in Tel Aviv nahmen am Donnerstag die Tänze kein Ende. Die Teilnehmer der Nachtwache gingen irgendwann nach Hause, ohne dass sich der Platz leerte. Neue Tänzer strömten hinzu. Bis zum Tag der Rückkehr wollen die Angehörigen der Geiseln und ihre Sympathisanten das Kommen und Gehen und Tanzen durchhalten. Ein buntes Bild, das aber doch an vergilbte Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus alten Zeiten eines jungen Israels erinnerte.

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