Gaza-Konflikt: Die wackelige Waffenruhe hält

Gaza-Konflikt: Die wackelige Waffenruhe hält
Nach einem Monat sieht die Mehrheit der Israelis laut einer Umfrage keinen Sieger in dem Gaza-Konflikt.

Die Waffenruhe im blutigen Gaza-Krieg hält. Es habe am zweiten Tag bisher keine Verstöße dagegen gegeben, bestätigte eine israelische Armeesprecherin am Mittwochvormittag. Damit wächst auch die Hoffnung auf eine Verlängerung und dauerhafte Stabilisierung der Lage. In Kairo trafen sich Diplomaten, um darüber zu verhandeln.

Nach einer Schrecksekunde am frühen Nachmittag (gegen 14.00 Uhr Ortszeit), in der in Israel trotz Feuerpause erneut die Sirenen heulten, konnte kurze Zeit später Entwarnung gegeben werden. Es handle sich um einen "falschen Alarm", berichteten israelische Medien.

Israel hat am Mittwoch auch rund 27.000 Reservisten wieder nach Hause geschickt. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv bestätigte, es seien nun noch 55.000 Reservisten im Einsatz. Insgesamt hatte Israel nach Armeeangaben für die vor einem Monat begonnene Offensive 82.000 Reservisten mobilisiert.

Verhandlungen über Waffenruhe

In der Nacht auf Mittwoch diskutierten israelische und ägyptische Unterhändler in der ägyptischen Hauptstadt über eine dauerhafte Waffenruhe. Ein Sicherheitsbeamter sagte, ägyptische Offizielle hätten den Israelis ein Papier mit Forderungen der palästinensischen Seite überreicht. Die israelische Seite habe ein für die palästinensischen Unterhändler bestimmtes Positionspapier an die Ägypter weitergegeben. Die israelischen und palästinensischen Delegationen sollen nun Zeit erhalten, die gegenseitigen Forderungen auszuloten.

Israel fordert als Bedingung für einen Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens eine Entmilitarisierung des schmalen Küstenstreifens und eine Entwaffnung der militanten Organisationen. Dies lehnt die radikal-islamische Hamas bisher kategorisch ab.

Gaza-Konflikt: Die wackelige Waffenruhe hält
epa04342773 Israeli soldiers embrace each other as they sing at a staging area at an unspecified location near the Israeli border with the Gaza Strip, 06 August 2014. The Palestinians are considering extending the 72-hour ceasefire in the Gaza Strip that went into effect on 05 August, a West Bank-based news agency quoted an official attending talks in Egypt on a more enduring truce with Israel as saying. Israel is conditioning ending the blockade on disarming all militants in the Gaza Strip and dismantling their weapons, mainly the missiles they fire across the border. EPA/ABIR SULTAN

Die Palästinenser fordern eine Aufhebung der jahrelangen Blockade des Gazastreifens. Dabei nennen sie den Bau eines See- und Flughafens in Gaza, eine Aufhebung von Einschränkungen bei der Geldüberweisung und eine Ausweitung der Fangzone für Fischer. Sie verlangen auch die Freilassung von Häftlingen.

Izzat al-Rishak, ein hochrangiger Funktionär der im Gazastreifen herrschenden Hamas, stellte eine mögliche Verlängerung der Waffenruhe über Freitag hinaus in Aussicht. Dies hänge aber vom Verlauf der Verhandlungen mit Israel ab, sagte Al-Rishak der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan.

Gespräche in Kairo

Auch die USA werden nach Angaben der Regierung in Washington vermutlich an weiteren Gesprächen in Kairo teilnehmen. US-Außenminister John Kerry sagte dem britischen Fernsehsender BBC, die Gespräche in Kairo müssten Wegbereiter für breiter angelegte Verhandlungen in Richtung auf eine Zwei-Staaten-Lösung sein, um einen dauerhaften Frieden in der Region zu sichern.

Gaza-Konflikt: Die wackelige Waffenruhe hält
A Palestinian man, who fled his house during an Israeli offensive, rests at a United Nations-run school, sheltering displaced Palestinians, in Jabaliya refugee camp in the northern Gaza Strip August 3, 2014. Picture taken August 3, 2014. REUTERS/Mohammed Salem (GAZA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST TPX IMAGES OF THE DAY)

Die einen Monat dauernde Offensive Israels hat im Gazastreifen schwere Zerstörungen hinterlassen. 65.000 Menschen haben nach UN-Angaben keine Bleibe mehr. Nach der ersten ruhigen Nacht seit fast einem Monat verließen am Mittwoch viele Einwohner die UNO-Unterkünfte, um zu ihren stark zerstörten Wohnungen zurückzukehren und dort Habseligkeiten zu bergen. Die Aufräumarbeiten gingen indes weiter. Helfer haben noch Leichen in den Trümmern gefunden.

Rund 1.900 Todesopfer

Seit Beginn der israelischen Offensive vor einem Monat wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 1.875 Palästinenser getötet und 9.567 weitere verletzt. Unter den Toten seien 430 Kinder, 243 Frauen und 79 ältere Menschen, teilte Sprecher Ashraf al-Kidra mit.

Gaza-Konflikt: Die wackelige Waffenruhe hält

Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) hält sich derzeit im Gazastreifen auf, um sich ein Bild von den Zerstörungen und der Lage der Verletzten zu machen. "Ich habe noch nie so massive Zerstörungen gesehen", teilte Peter Maurer nach einem Besuch des Viertels Shejaia mit. "Ich habe ein tiefes Gefühl des Schocks darüber, was ich gesehen habe, und der Wut, dass wir nicht verhindern konnten, was passiert ist." Die Nacht auf Mittwoch habe er in Gaza verbracht, um "meine Zuversicht darüber zu zeigen, dass eine Waffenruhe eine ruhigere Nacht für die Menschen in Gaza bedeutet", twitterte Maurer in der Früh.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen könnte noch in dieser Woche über eine Resolution zum Gaza-Konflikt entscheiden. "Wir diskutieren gerade auf Fachebene über das Papier", sagte Großbritanniens UNO-Botschafter Mark Lyall Grant, der den Rat in diesem Monat führt, in New York.

UNO-Vollversammlung

Am Nachmittag (ab 16.00 Uhr MESZ) trifft die UNO-Vollversammlung in New York zusammen. Dabei sollen ranghohe UN-Vertreter die Botschafter der 193 Länder per Video-Konferenz über die Situation informieren. Die Vollversammlung war von den arabischen Staaten beantragt worden, die bisher vergeblich auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats drängen.

Die Ermordung von drei israelischen Jugendlichen im Juni im Westjordanland und eines 16-jährigen Arabers bei Jerusalem kurz darauf hatte eine Gewaltspirale in Gang gesetzt, die ein Auslöser für den jüngsten Gaza-Krieg war. Im Fall der getöteten Israelis sei ein verdächtiger Palästinenser aus Hebron bereits vor drei Wochen gefasst worden, meldete die israelische Nachrichtenseite "ynet" am Dienstag nach Aufhebung einer Nachrichtensperre. Er habe demnach versucht, mit gefälschten Papieren nach Jordanien zu fliehen. Hussam Kawasme habe während eines Verhörs gestanden, der Kopf der Gruppe gewesen zu sein. Seine mutmaßlichen Komplizen, Marwan Kawasme und Omar Abu Ajshah, seien auf der Flucht.

Umfrage: Kein Sieger

Nach einem Monat sieht die Mehrheit der Israelis laut einer Umfrage keinen Sieger in dem Gaza-Konflikt. 51 Prozent der Befragten seien der Auffassung, dass es bei der "Operation Schutzlinie" keinen klaren Gewinner gebe, berichtete die Tageszeitung "Haaretz". Israel hielten nur 36 Prozent der 442 befragten Bürger des Landes für den Sieger; sechs Prozent gaben an, die radikalislamische Hamas, die den Gazastreifen militärisch kontrolliert, habe gewonnen. Dennoch beurteilten 77 Prozent der Befragten das Krisenmanagement von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu während der Eskalation als "ausgezeichnet" oder "gut".

Kommentare