Wohl mit ein Grund für sich ständig wiederholende Beteuerungen Netanjahus, sein nächstes Ziel sei die Befreiung der Geiseln. Denn das beispiellose 7/10-Versagen der israelischen Führung ist nicht vergessen, solange die Geiseln gefangen bleiben. Netanjahus mehrfaches Hinauszögern eines Geisel-Deals mit der Hamas hat Israel in den längsten Krieg seiner Geschichte geführt. In welchem keines der vorgegebenen militärischen Ziele erreicht werden konnte: 50 Geiseln sind weiter nicht befreit.
Mehrheit für Kriegsende
Sogar in Netanjahus Regierungskoalition kommen Stimmen auf, die keinen Sinn mehr in der weiteren Präsenz israelischer Soldaten im Gazastreifen sehen. Die Öffentlichkeit spricht sich mit deutlicher Mehrheit für ein Kriegsende aus. „Sie zerstören dort Häuser, die bereits seit Monaten Ruinen sind“, kritisierte die Mutter eines Soldaten.
Etwas verblümter schloss sich auch die Armeeführung der Kritik an. „Unsere vorgegebenen Ziele sind erreicht“, teilte Armeechef Eyal Samir mit, jetzt sei es an der Regierung, „neuen Handlungsspielraum“ zu finden. Im Klartext: Mangels politischer Auswege steckt das militärische Vorgehen in einer Sackgasse. So endete auch die Neuordnung der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung des Gazastreifens in einem Chaos.
Von Anfang an weigerte sich die Armee, das Leben israelischer Soldaten für die Bewachung der gerade einmal vier neuen Verteilungszentren zu gefährden. In die nach Öffnung der Zentren andrängenden hungernden Massen mischten sich Hamas-Bewaffnete, die scharf auf die Zivilisten schossen.
In das so entstehende chaotische Vakuum zwischen Armee und Hamas-Angreifern griffen noch Bewaffnete mehrerer Clans ein. Sie sollten die Hamas vertreiben. Letztlich aber sind sie, wie die Hamas, vor allem daran interessiert, Teile der Hilfslieferungen zu erbeuten.
Aus großer Entfernung griff dann auch noch die israelische Armee in das so entstehende Durcheinander ein. Das Ergebnis: Hunderte Tote, die bei besserer Planung noch leben könnten. „Wir müssen uns ohne Schönfärberei und Verzug unserem strukturellen Versagen bei den Hilfslieferungen stellen“, forderte am Freitag Johnnie Moore, der Leiter der zuständigen Hilfsorganisation GHF.
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