Keine Partei überzeugt. Benny Gantz, vor einem Jahr noch der größte Herausforderer Netanjahus, hechelt nur noch unter ferner liefen, nahe der Sperrklausel. Infolge der Corona-Krise hatte er bei der vergangenen Regierungsbildung sein Versprechen gebrochen – „Nur nicht Bibi“ – und war eine Koalition mit diesem eingegangen. „Ich habe ihm vertraut, und er hat mich ausgetrickst“, rechtfertigte sich der Polit-Anfänger danach. Zuvor hatte er alle Warnungen in den Wind geschlagen.
Trickserei
Netanjahus Stammwähler werten dessen „Trickserei“ allerdings als Pluspunkt. Skeptiker dagegen sehen sich bestätigt. Um das Patt zu brechen, gilt es, Wechselwähler zu überzeugen.
Die Likud-Kampagne zieht aber auch in dieser Hinsicht nicht so richtig an. Dabei gibt es zwei Erfolge, die sogar Widersacher neidvoll anerkennen: Israels weltweit beispielhafte Impfkampagne und der diplomatische Durchbruch Israels in der Golf-Region. Auch wenn sich ein fotogener Staatsbesuch in den Emiraten zur besten Wahlkampfzeit zerschlug: „Wir lassen uns nicht in Israels Wahlkampf einspannen“, erklärte ein Sprecher der Emirate, „unser Vertrag gilt mit Israel, nicht mit Netanjahu.“
„Ich habe den Impfstoff geholt“, trommelte Netanjahu ein zentrales Thema. Doch seine Gegner verweisen auf die Tatsache, dass Israel zu Beginn der Corona-Krise vor einem Jahr global beneidet wurde für seine Erfolge, doch dann im Sommer die weltweit höchste Infektionsrate hinnehmen musste: „Warum mussten über 6.000 sterben?“
Arbeitslosigkeit
Auch die Frage nach den 600.000 Arbeitslosen wird gestellt. Netanjahus Ruf als neoliberaler Wirtschaftsreformer gerät ins Wanken. So greift er in seinen vielen Interviews zum letzten Mittel: Versprechungen. Egal was – ein Sonderkabinett für Wirtschaftsfragen, „Helikoptergeld“ für alle Haushalte, egal ob reich oder arm, diplomatische Beziehungen zu vier weiteren arabischen Staaten und so fort.
Als besonderes Zuckerl für die Wähler ließ „Bibi“ kurz vor den Wahlen wieder Geschäfte, Stadien, Theater etc. öffnen. Und als das Oberste Gericht anmahnte, dass ein Auslandsreiseverbot unvereinbar mit den Grundrechten sei, griff der Likud die Richter frontal an: „Ihr Urteil setzt unser aller Leben aufs Spiel.“ Ein Zeichen der Nervosität Netanjahus. Doch auch seine Verbündeten wie Gegner schaffen nicht den entscheidenden Durchbruch.
In der Not zielt der Premier jetzt sogar auf die bisher verpönten Stimmen der arabischen Wähler ab: In den vergangenen Wochen besuchte Netanjahu immer wieder arabische Städte. Zugleich erhöhte er – vorbei an seinen konservativen Stammwählern – im vergangenen Jahrzehnt die Gelder zur Entwicklung der Infrastruktur im „arabischen Sektor“. Womit er einen Entwicklungsplan fortführte, den sein sozialdemokratischer Vorgänger Ehud Barak in Gang gesetzt hatte. Auf Anraten der Verwaltungsexperten machte Netanjahu weiter. Fast ohne Publicity.
Ob dies jetzt seinem Rechtsblock Stimmen einbringt, ist aber mehr als fraglich. Es geht vielmehr darum, die arabischen Stimmen nicht gegen sich zu mobilisieren. Damit könnte „Urnenzauberer“ Netanjahu tatsächlich reüssieren.
Vor allem mit den enormen Erfolgen bei der Impfaktion – was die Mehrheit in der Knesset bringen könnte. Allerdings: Auch wenn Netanjahu nach dem Pikser immun gegen Corona sein sollte, als dreifach wegen Korruption Angeklagter kämpft er weiter mit der Justiz. Daher drängt er auf ein Gesetz, das ihm die ersehnte Strafimmunität gewähren soll. Gelänge ihm das als alter und neuer Regierungschef wieder nicht, wäre ein fünfter Urnengang eine Option.
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