Mehr als 50 Tote: Russischer Angriff auf ukrainische Stadt Poltawa
Die russischen Streitkräfte feuerten Dienstagfrüh zwei ballistische Raketen auf die ukrainische Stadt Poltawa ab. Mindestens 51 Menschen seien getötet, über 200 weitere verletzt worden, teilte am Dienstag die Generalstaatsanwaltschaft mit.
Die Raketen hatten ein Ausbildungszentrum des Militärs und ein Krankenhaus getroffen. Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, Moskau zur Rechenschaft zeihen zu wollen.
Der Angriff soll dem Gebäude des Militärischen Instituts für Kommunikation gegolten haben, allerdings soll auch eine medizinische Einrichtung getroffen worden sein.
Es soll sich um zwei Iskander-Raketen handeln, die in der Früh abgefeuert wurden – der Schaden ist beträchtlich, wie auf Videos zu sehen ist.
„Die Zeitspanne zwischen dem Alarm und dem Eintreffen der tödlichen Raketen war so kurz, dass der Angriff die Menschen bei der Evakuierung in den Luftschutzkeller erwischte“, so das Verteidigungsministerium.
Viele Menschen seien noch unter den Trümmern eingeschlossen, während Rettungskräfte und Sanitäter weiter nach Überlebenden suchen. Bis etwa 14.00 Uhr Ortszeit hatten die Rettungskräfte 25 Menschen gerettet, von denen elf aus den Trümmern befreit wurden, so die Erklärung des Ministeriums. Die Behörden in Poltawa riefen zu Blutspende-Aktionen auf.
Hohe Reichweite
Die Kurzstreckenrakete Iskander (NATO-Code: SS-26 Stone) hat Militärangaben zufolge je nach Nutzlast eine Reichweite von 400 Kilometern. Die taktische Präzisionswaffe ist im Ernstfall mit zwei Atomsprengköpfen bestückbar. Da die etwa 3,8 Tonnen schweren Boden-Boden-Raketen auf geländegängigen Lastwagen montiert werden, können sie schnell verlegt und gestartet werden. Die Flugkörper sollen Gefechtsköpfe bis auf wenige Meter genau ins Ziel transportieren können. Der Typ "Iskander" wurde noch zu Sowjetzeiten als Ersatz für die Kurzstreckenrakete Oka (SS-23) entworfen.
Die Probleme der Flugabwehr
Dagegen wären Abwehrsysteme wie Patriot oder Iris-T wirksam - doch die Ukraine verfügt über eine zu schwache Flugabwehr. Und das trotz vieler Zusagen aus dem Westen, deren Umsetzungen größtenteils ausblieben.
Fünf Patriot-Systeme sollen sich in der Ukraine befinden, davon drei aus Deutschland und zwei aus den USA. Das Flugabwehrraketensystem kann bis zu fünfzig Ziele erfassen, fünf gleichzeitig bekämpfen und gilt als eines der Besten seiner Art.
Vor allem gegen feindliche Kampfjets, ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen in einer Entfernung zwischen 35 und 160 Kilometern ist das Patriot-System wirksam.
Deutschland hat neben den Patriot-Systemen auch drei „IRIS-T SLM“ an die Ukraine geliefert .
Ein arbeitsfähiges IRIS-T-System besteht aus mindestens einem Starter mit jeweils acht Raketen, einem 360-Grad-Radar und einem Kommandomodul. Es bildet eine Schutzglocke von 25 Kilometern Höhe und 50 Kilometern Radius. Die Raketen werden senkrecht gestartet und können in alle Richtungen abgefeuert werden.
Daneben verfügt die Ukraine über weitere Systeme, doch auch diese sind nicht ausreichend, einerseits die zivile Infrastruktur, Wohngebiete in Städten und Soldaten an der mehr als 1.200 Kilometer langen Front gleichsam zu schützen.
Doch neben der insgesamt zu geringen Zahl an Systemen bestehen zwei weitere Probleme:
Eine Patriot-Rakete kostet um die drei Millionen Dollar, während etwa eine russisch-iranische Shahed-Drohne um 25.000 Dollar hergestellt werden kann. Grundsätzlich versucht man, diese Kamikazedrohnen mit überschweren Maschinengewehren und mobilen Abwehrtrupps zu vernichten.
Der Vorrat ist stets knapp, Nachschub lässt auf sich warten. Das zeigt sich an der geringen Zahl der abgefangenen russischen Raketen seit Beginn des Angriffs: Von 9.627 (Stand,: Ende August) wurden lediglich 2.429 abgeschossen. Auch bei den Drohnen ist die Bilanz keine Gute: 9.272 von 13.997 wurden zerstört. Die Zahlen stammen von einer Präsentation des ukrainischen Generalstabschefs Oleksandr Sirskij.
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