Iran-Proteste: Polizistinnen stürmen Mädchenschulen

Ein Vertreter der regimetreuen, paramilitärischen Miliz im Iran hat sich seinen Besuch in einer Mädchenschule vor wenigen Tagen wohl anders vorgestellt. Während er am Rednerpult stand, rissen sich die Schülerinnen ihre Hidschabs vom Kopf und riefen ihm „Hau ab, Bassidschi“ – wie die Mitglieder der iranischen „Hilfspolizei“ genannt werden – entgegen. Jemand filmte den Vorfall und das Video ging um die Welt.
Im Zuge der vom Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini ausgelösten Proteste gegen die Regierung, die am Sonntag in die vierte Woche gingen, sind Schulmädchen das jüngste Ziel der iranischen Sicherheitskräfte. Berichten zufolge stürmten Polizistinnen am Wochenende in gleich mehreren Städten Mädchenschulen.
„Wir saßen in unserem Klassenzimmer, als der Schulleiter die Tür öffnete, begleitet von vier Polizistinnen“, berichtete etwa ein iranisches Schulmädchen aus dem nordwestlichen Zandschan der Nachrichtenplattform Iran Wire. Die Polizistinnen hätten der Schülerin und ihren Kolleginnen die Handys weggenommen und ihnen anschließend gedroht. „Sie haben uns gewarnt, nicht an den Protesten teilzunehmen, sonst würden wir nicht mehr in die Schule zurückkehren dürfen“, erinnert sich die Schülerin. Auch von Verhaftungen und Gewalt ist die Rede.
Die Regierung in Teheran macht die sozialen Medien dafür verantwortlich, dass die Demonstrationen jetzt auch auf die Schulen übergeschwappt sind. Um die Protestbewegung zu unterdrücken, blockiert die Regierung unter Ayatollah Ali Khamenei zwar bereits seit Wochen das Internet, die Bevölkerung hat aber mittlerweile Wege gefunden, die Beschränkungen zu umgehen.
„Blut an euren Händen“
Auch die Kontrolle über das staatliche Fernsehen ging dem iranischen Regime kurzerhand verloren, als Aktivisten am Samstag eine Nachrichtensendung hackten. „Das Blut der Jugend klebt an euren Händen“, lautete die Botschaft, die daraufhin zur besten Sendezeit abends auf den Bildschirmen zu sehen war – gemeinsam mit Bildern von Mahsa Amini und anderen jungen Frauen, die in den letzten Wochen umgekommen sind, und einem Fadenkreuz über Khameneis Gesicht. Wer für den Hackerangriff verantwortlich ist, ist nicht klar.
Mit dem Ziel, die Proteste einzudämmen, traf die politische Führung am Wochenende zusammen und rief die Bevölkerung dazu auf, sich gegen die „feindseligen Verschwörungen“ der Protestierenden zu stellen. Laut Augenzeugen gehen die Aufstände aber in Dutzenden Städten des Iran weiter. Die Gewaltbereitschaft ist demnach in den letzten Tagen auf beiden Seiten noch einmal gestiegen – Sicherheitskräfte dürften Tränengas und Schlagstöcke einsetzen sowie scharf auf die Demonstranten schießen. Allein am Samstag starben Berichten zufolge mindestens 185 Menschen, darunter 19 Kinder.
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