Kerry in Wien: Der Kongress sitzt bei Tisch
Viele Hände internationaler Top-Diplomaten gilt es heute für Österreichs Außenminister Sebastian Kurz zu schütteln. Für einige Stunden wird Wien wieder zu einer Drehscheibe der internationalen Politik. Mitverhandeln wird der junge österreichische Außenamtschef allerdings nicht, wenn die derzeit stockenden Atomgespräche mit dem Iran heute einen neuen Schub bekommen sollen.
Nur die Außenminister der USA, John Kerry, Frankreichs, Laurent Fabius, Großbritanniens, William Hague und Deutschlands, Frank-Walter Steinmeier, sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton werden am frühen Nachmittag gemeinsam bei Tisch sitzen. Dabei werden sie Strategien abklären, wie die Atomgespräche mit dem Iran doch noch fristgerecht am 20. Juli abgeschlossen werden können.
Sonntagfrüh flog US-Außenminister John Kerry in Wien ein, zu Mittag folgten die anderen Top-Diplomaten. Seit Herbst verhandeln die 5 UN-Vetomächte und Deutschland (5+1-Gruppe) mit Teheran, seit Februar wird auf Initiative von Außenminister Kurz hin in Wien beraten. Ziel der Gespräche ist ein Abkommen mit Teheran, das ein für alle Mal fixieren soll, dass der Iran kein Atomwaffenprogramm entwickelt. Zuletzt steckten die Gespräche allerdings fest (Knackpunkte siehe unten).
Signalwirkung
Um zu verhindern, dass die Verhandlungen vollends ins Leere laufen, rücken nun die Größen der internationalen Spitzendiplomatie höchstpersönlich an. Ihre Präsenz – John Kerry reist überhaupt zum ersten Mal als US-Außenminister nach Wien – soll Signalwirkung haben.
Dafür sollen auch die wenigen Stunden ausreichen, die die Außenminister beisammensitzen werden. Denn schon am Sonntag Abend wollen die meisten von ihnen die Bundeshauptstadt schon wieder verlassen haben. Am eiligsten hat es Deutschlands Top-Diplomat Frank-Walter Steinmeier: Er wollte unbedingt rechtzeitig wieder zurück in Berlin sein, um dort das "historische Erlebnis" live mitzuverfolgen: Das Fußball-WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien.
Die Anzahl der iranischen Zentrifugen und die Urananreicherung: Sie ist der größte Knackpunkt der laufenden Verhandlungen – die Zahl der Zentrifugen zur Urananreicherung. Der Iran besitzt 19.000 Zentrifugen, von denen derzeit 10.000 in Betrieb sind. Die 5+1-Gruppe (fünf UN-Vetomächte und Deutschland) fordert eine drastische Verringerung. Die USA beharren auf maximal 4000. Der Iran besteht aber langfristig auf 50.000 Zentrifugen. Zuletzt forderte Irans geistliches und politisches Oberhaupt, Ayatollah Ali Khamenei, gar 190.000.
In der Vergangenheit gab die iranische Führung an, sie reichere Uran nur auf fünf bis 20 Prozent an, um es für zivile Zwecke wie die Energiegewinnung und medizinische Anwendungen einzusetzen. Für eine Atombombe müsste Uran auf 90 Prozent angereichert werden. Dieses Zugeständnis hat Teheran gemacht: Im Zuge der Verhandlungen wurde die iranische Urananreicherung nun auf fünf Prozent reduziert.
Mehr Kontrollen der internationalen Atomenergieagentur IAEA: Die internationale Staatengemeinschaft verdächtigt Teheran, unter dem Deckmantel eines friedlichen Atomprogramms heimlich an Atomwaffen zu arbeiten. Teheran dementiert dies vehement. Verstärkte Kontrollen sollen für mehr Transparenz sorgen.
Der Schwerwasserreaktor Arak: Da nach einer Inbetriebnahme des Reaktors Plutonium anfallen würde, das zur Herstellung einer Atombombe eingesetzt werden könnte, fordert der Westen die Schließung des Komplexes oder den Umbau zu einem Leichtwasserreaktor. Eine Schließung kommt für Teheran aber nicht infrage. Man hat deshalb vorgeschlagen, dass nur ein Fünftel des ursprünglich geplanten Plutoniums produziert wird. Die internationale Gemeinschaft begrüßt dies.
Zeitplan für die Sanktionslockerungen: Geht es nach Teheran, sollen die Strafmaßnahmen sofort nach Abschluss des Abkommens suspendiert werden. Die EU könnte dies akzeptieren, doch die USA wollen die Sanktionen nur stufenweise aufheben. Erst solle Teheran seine Verpflichtungen erfüllen. Strittig ist auch noch die Dauer des geplanten Abkommens: Der Iran denkt an fünf Jahre, seine Verhandlungspartner an 20 Jahre.
Die Hardliner im Iran und in den USA: Sowohl von Irans oberstem Führer, Ayatollah Khamenei, als auch vom teils skeptischen US-Kongress muss das Abkommen noch abgesegnet werden. Hardliner beider Seiten lehnen das angepeilte Abkommen grundsätzlich ab.
Die Fäden der jüngsten Spionageskandale in Deutschland – gleich zwei Fälle von Bespitzelung durch US-Dienste flogen zuletzt auf – ziehen sich bis nach Wien: So soll jener Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), der den USA zwei Jahre lang geheime Informationen zutrug, von CIA-Mitarbeitern von Wien aus betreut worden sein, berichtet der Spiegel. Mehrere Treffen fanden in Salzburg statt. Das hatte offenbar den Vorteil, weniger auffällig zu sein als bei direkten Kontakten zwischen dem BND-Mitarbeiter und in Berlin stationierten CIA-Agenten.
Die Rechnung der erbosten deutschen Regierung erhielt dennoch der CIA-Chef von Deutschland: Er hat das Land zu verlassen, ehe er zur "Persona non grata" erklärt wird. Eine Vorgehensweise, auf die wiederum die US-Regierung verschnupft reagierte. Dieser Rauswurf sei ein "Wutanfall" der deutschen Regierung. Überhaupt, so mäkelte das Weiße Haus, hätte man die ganze Sache lieber geheim gehalten und nicht über die Medien gespielt.
Nach ihren Iran-Gesprächen dürften nun heute Nachmittag US-Außenminister Kerry und sein deutscher Amtskollege Steinmeier in Wien versuchen, die Wogen zu glätten. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und US-Geheimdiensten ist nicht gefährdet – ebenso wenig wie die Ankunft eines neuen CIA-Chefs für Deutschland.
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