Österreicher in Diensten des Terrors
Ein Drittel der dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak soll sich bereits aus Europäern rekrutieren. Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geht davon aus, dass sich auch mindestens zwei Dutzend Österreicher unter ihnen befinden.
Überläufer
Angaben über die Stärke der Islamisten-Armee reichen je nach Quelle von 1000 bis 15.000. Seit einigen Wochen verzeichnen die Extremisten aber stetigen Zuwachs. Es laufen scharenweise Kämpfer der regionalen syrischen Bürgerkriegsparteien zur IS über. So sollen sich vier Kommandeure der vom Assad-Regime desertierten Freien Syrischen Armee (FSA) der IS angeschlossen haben. Auch El-Kaida-Gruppierungen zieht es zur IS.
Die besondere Attraktivität der IS mache deren militärischer Erfolg aus, meinen internationale Beobachter. So sollen IS-Kämpfer 450 Millionen US-Dollar aus der Zentralbank in Mossul geholt haben. Außerdem sind ihnen umfangreiche Waffenlager der irakischen Armee in die Hände gefallen.
Werbeoffensive
Und jetzt haben sie auch noch eine Werbeoffensive in Europa gestartet. Freitag wurde über Twitter ein Anwerbevideo mit bewaffneten Kriegern in Englisch, Deutsch und auf Russisch veröffentlicht. Die Krieger mit britischem und australischem Akzent preisen die Tugenden des Heiligen Krieges und fordern die Zuschauer auf, sich ihnen anzuschließen.
Für Extremisten ist es kein Problem, in die IS-Zentrale zu gelangen. Sie buchen Flüge in die Türkei. Von dort kann man ohne Visum die syrische Grenze überqueren. Die IS-Zentrale befindet sich in der nordsyrischen Stadt Ar-Raqqa. Bewohner berichten, dass dort alle Hotels und Quartiere bereits von Kämpfern aus Nordafrika und Asien belegt seien – zunehmend auch von Europäern. Genau dort vermutet der heimische Verfassungsschutz auch den Großteil der etwa 50 Austro-Dschihadisten, die sich noch im Kriegsgebiet aufhalten sollen. 100 Österreicher stehen auf der Syrien-Terrorliste des BVT. Sie haben so gut wie alle einen Migrationshintergrund. Besonders hoch ist der Anteil an Tschetschenen.
Einige sind inzwischen wieder heimgekehrt. Sie werden als gefährlich eingestuft. Und 20 sollen bei Kampfhandlungen getötet worden sein. Wobei der amtliche Nachweis des Todes schwierig ist. Die meisten werden an Ort und Stelle verscharrt. Zeugenaussagen über die Todesumstände sind meist mangelhaft. Der letzte Akt geht bei den Heimat-Bezirksgerichten der Vermissten über die Bühne. Dort werden sie auf der amtlichen Anschlagtafel aufgefordert, sich bis zu einem bestimmten Stichtag zu melden. Wer sich nicht meldet, gilt schließlich auch amtlich als tot.
So etwas wie „Kompromiss“ kennt die Gruppe Islamischer Staat (IS) nicht. Krieg an allen Fronten, mit jedem, der den Allmachts-Anspruch der Gruppe nicht teilt oder infrage stellt – ein Konzept, das in seinem Wahnwitz zumindest bisher aufgeht: Nach schweren Kämpfen am Wochenende konnte die IS ihren ohnehin schon breiten Einflussbereich im Norden des Irak und in Syrien weiter ausdehnen. Große Gebiete nördlich der nordirakischen Stadt Mossul sind jetzt unter Kontrolle der IS. In diesem Gebiet befinden sich der größte Staudamm des Irak, die Mossul-Talsperre, sowie zwei Ölfelder. Vor allem Letzteres stärkt die IS weiter, die sich längst weniger aus Spenden als aus selbst erwirtschafteten Einnahmen finanziert.
Östlich von Mossul stürmten IS-Kämpfer die Stadt Sinjar. Örtliche Medien berichteten, in der Stadt seien gleich nach dem Einmarsch der IS 67 Männer hingerichtet worden – allesamt Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden, die sich geweigert hätten, zum Islam überzutreten. Kurdische Peschmerga-Milizen starteten am Montag eine Offensive gegen die IS in der Region. Einige Dörfer sollen zurückerobert worden sein. Die Regierung in Bagdad ließ am Montag wissen, man werde die Offensive der Peschmerga aus der Luft unterstützen.
Auch in Syrien rückten Einheiten der IS näher an kurdische Gebiete heran – während es auch wenige Kilometer vor Iraks Hauptstadt Bagdad schwere Kämpfe gab.
Ungeachtet all dessen dauert der Streit zwischen dem politisch schwer bedrängten irakischen Premierminister Nuri al-Maliki – ein Schiit – und seinen politischen Gegnern sowohl im Lager der Schiiten wie der Sunniten und Kurden weiter an. Heute soll das irakische Parlament erneut über einen Nachfolger beraten. Maliki weigert sich weiterhin, zurückzutreten. Eine Einigung schien unwahrscheinlich.
Machtverteilung im Irak
Schiiten, arabische Sunniten und Kurden leben im Irak in einer fragilen Balance. Das politische System des Landes versucht mit einer konfessionsgebundenen Ämtervergabe Stabilität zu garantieren. Die Methode ist zwar nicht in der Verfassung verankert, aber seit 2005 Praxis: So erhält das Amt des Parlamentspräsidenten ein Sunnit, Staatspräsident wird ein Kurde und Ministerpräsident ein Schiit.
Im Irak war bereits Ende April ein neues Parlament gewählt worden. Die Partei des Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ging abermals als stärkste Kraft hervor - dennoch fehlt al-Maliki die Parlamentsmehrheit für eine neue Regierung.
Gemäß der Verfassung wurde zunächst der Parlamentspräsident gewählt. Ende Juli wurde nach langem Tauziehen der 76-jährige kurdische Politiker Fuad Masoum zum neuen Präsidenten des Landes gewählt. Am Donnerstag nun läuft für Masoum die Frist ab, den größten Parteienblock, also Al-Malikis Partei, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Erst dann kann ein Ministerpräsident bestimmt werden.
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