Briten betreiben Spähprogramm der Superlative

Die Internet-Spionage des britischen Geheimdienstes soll gar die der USA übertreffen. Gegen Edward Snowden liegt offiziell Anzeige vor.

Auch der britische Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) soll wie die US-Behörde NSA eine umfassende Sammlung an Telefon- und Internetdaten angelegt und diese mit den USA geteilt haben. Die Behörde habe sich Zugang zu Glasfaserkabeln verschafft und darüber Informationen über internationale Telefonanrufe und den Internetverkehr erhalten, meldete der Guardian. Neben E-Mails, Einträgen im sozialen Netzwerk Facebook oder auch Telefongesprächen würden auch persönliche Informationen der Nutzer gespeichert und analysiert.

Die Informationen des Guardian stammen von dem US-Amerikaner Edward Snowden, der erst vor kurzem Details über PRISM, das Überwachungsprogramm der NSA, an die Öffentlichkeit gebracht hat. Das britische Spionageprogramm "Tempora", das nach dieser Darstellung noch umfangreicher als das US-amerikanische sein soll, ist seit eineinhalb Jahren in Betrieb. Der Abhördienst GCHQ habe es geschafft, zur Beschaffung der Informationen zahlreiche Internetknotenpunkte anzuzapfen. Ein Sprecher des Geheimdienstes wollte sich nicht dazu äußern.

Nach Snowdens Worten wollte er "das größte unauffällige Überwachungsprogramm in der Geschichte der Menschheit" aufdecken. "Es ist nicht nur ein US-Problem", zitierte ihn der Guardian. Auch Großbritannien habe "einen großen Hund im Rennen". GCHQ sei "schlimmer als die US(-Kollegen)".

Ziel: "Mastering the Internet"

2010, zwei Jahre, nachdem "Tempora" erstmals getestet wurde, habe sich der GCHQ laut Guardian damit gerühmt, über den "größten Internetzugang" weltweit zu verfügen - einen umfassenderen Zugang als die anderen Mitglieder der sogenannten "Fünf Augen"-Allianz der elektronischen Lauschangriffe. Zu dieser gehören außer Großbritannien die USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Damit sei das Vereinte Königreich eine "Geheimdienst-Supermacht".

Dem Guardian zufolge soll das britische Programm aus zwei Teilen bestehen: "Mastering the Internet" ("Das Internet beherrschen"), sowie "Global Telecoms Exploitation" ("Erschließung der globalen Telekommunikation"). Begriffe, die die Dimension des Spähprogramms deutlich vor Augen führen.

"Albtraum à la Hollywood"

Deutschlands Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ziegte sich entsetzt über den Bericht: "Treffen die Vorwürfe zu, wäre das eine Katastrophe.“ Die Vorwürfe gegen Großbritannien klängen nach einem Albtraum à la Hollywood. "Die Aufklärung gehört sofort in die europäischen Institutionen", forderte die stellvertretende FDP-Vorsitzende.

Die US-Justiz hat Snowden indessen offiziell der Spionage beschuldigt. Gegen Snowden sei außerdem ein Haftbefehl ausgestellt worden, bestätigte ein US-Regierungsvertreter. Die unter Verschluss gehaltene Anzeige wurde vor einer Woche im Staat Virginia eingereicht. Demnach wird Snowden unter anderem Diebstahl von Regierungseigentum und der Verrat von Informationen über die Landesverteidigung vorgeworfen. Aus US-Kreisen verlautete zudem, die Behörden bereiteten einen Auslieferungsantrag an Hongkong vor. Dort soll sich Snowden verstecken.

Wahington bat laut Washington Post und NBC die Behörden in Hongkong, den Haftbefehl gegen Snowden zu vollstrecken. Der PRISM-Enthüller war Ende Mai in die chinesische Sonderverwaltungszone geflüchtet, bevor die Enthüllungen über die Spähprogramme Anfang Juni weltweit für Schlagzeilen sorgten. Nach einer Festnahme kann den Angaben zufolge ein Auslieferungsverfahren gegen Snowden beginnen, das mehrere Monate dauern könnte.

Der genaue Aufenthaltsort von Snowden ist derzeit unbekannt, er wird aber weiter in Hongkong vermutet. Der Informant hatte erklärt, sich um politisches Asyl in Island bemühen zu wollen. Der Inselstaat tritt besonders für die Freiheit im Internet ein. Nach Angaben aus Kreisen der Enthüllungswebseite Wikileaks steht ein Charterflugzeug bereit, um Snowden nach Island zu bringen. Die Regierung in Reykjavik erklärte am Mittwoch, informelle Kontakte mit dem Flüchtigen zu unterhalten. Es ist jedoch nicht sicher, dass ihm die Regierung Zuflucht gewähren will.

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