Indianer werden in Brasilien an den Rand gedrängt

Anastacio Peralta: Auftragskiller bedrohen seinen Stamm
Monokulturen, Bergbau und Mega-Projekte gefährden die indigene Bevölkerung. Doch es regt sich Widerstand.

Mato Grosso do Sul ist ein heißes Pflaster. Das Agro-Business überrollt den brasilianischen Bundesstaat (so groß wie Deutschland) dort seit Jahrzehnten, der dichte Urwald wurde flächendeckend geholzt, 80 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen sind mit den großteils für den Export bestimmten Monokulturen Soja, Eukalyptus oder Zuckerrohr bepflanzt, riesige Weiden für die Viehzucht runden das Bild ab. Auf der Strecke bleibt die indigene Bevölkerung, die um ihre Rechte und Grund und Boden kämpft – oft unter Lebensgefahr.

"Meine Vorfahren waren immer schon hier, da gab es nur Wald, deswegen heißt mein Stamm auch Kaiowa, das bedeutet Waldbewohner", sagt Anastacio Peralta, der jüngst bei einer Veranstaltung des Lateinamerika-Instituts in Wien war. Jetzt seien seine Leute und die anderer Ethnien auf winzigen Flecken zusammengepfercht, die Böden seien schlecht und gäben nicht genug her, dass die Familien überleben könnten.

Daher kommt es regelmäßig zu Landbesetzungen, bei denen sich die Menschen in schmale Streifen zwischen der Straße und den Zäunen von Großgrundbesitzern niederlassen. "Pistoleiros", gedungene Mörder, würden immer wieder auftauchen und versuchen, die Indianer zu vertreiben, sagt Peralta und spricht von "Rassismus". Das alles sei zutiefst erniedrigend, doch aufgeben, aufgeben würden sie niemals.

Nur noch 810.000 Indios

Aktuell leben rund 810.000 Indianer in Brasilien und stellen gerade einmal 0,4 Prozent der 200 Millionen Einwohner – zu Beginn der Kolonisation zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren es noch fünf Millionen und 100 Prozent. "Heute sind wir eine Minderheit unter den Minderheiten", formuliert Gersem Luciano Baniwa, ein Indianer aus dem Amazonasgebiet.

Dort sei er vor allem mit zwei Problemen konfrontiert. Das sei zum einen der intensive Ausbau der Wasserkraft mit riesigen Staudämmen, was den indigenen Stämmen die Existenzgrundlage entziehe – dagegen wehrt sich zeitlebens auch Erwin Kräutler, der zwischen 1981 und 2015 Bischof der Diözese Xingu war. "Die gewonnene Energie kommt dabei nicht der regionalen Bevölkerung zugute, sondern primär der Groß- und Schwerindustrie im Süden, vor allem in Sao Paolo", klagt Baniwa.

Ein zweites Problem sei der zunehmende Abbau von Bodenschätzen, der nicht einmal vor bereits abgesteckten Indianer-Gebieten Halt mache. "Die jetzige Regierung will unbedingt aus der Krise kommen, und dazu ist ihr jedes Mittel Recht", analysiert Baniwa. Geschürft werde vor allem nach Gold, Diamanten, Uran und Niob. Letzteres ist unerlässlich für die Stahlproduktion, 80 Prozent des weltweiten Angebots stammen aus einer Mine in Brasilien, zählt man die noch nicht exakt erforschten Lagerstätten dazu, schlummern 97 Prozent des Metalls im Amazonasboden.

Gemein ist den Indianern des südamerikanischen Landes, dass sie trotz aller Widerstände weiterhin für ihre Rechte eintreten werden – und dafür voll auf Bildung setzen: "Wir zählen derzeit 22.000 indigene Pädagogen und 33.000 Uni-Studenten", sagt Anastacio Peralta, "darin liegt unsere ganze Hoffnung, das ist unsere Investition in die Zukunft."

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