Illegale Einwanderer: "Trump hat uns Angst gemacht"
Spanisch, Englisch und zwischendurch ein bisschen Amharisch, die Sprache Äthiopiens. Wenn Belinda und Jean ihre etwa 20 Schützlinge durch die Gassen bugsieren, umgibt sie ein lautes, fröhliches Sprachengewirr. Die zwei Kindergärtnerinnen, eine aus Kansas, die andere aus El Salvador, hantieren wie selbstverständlich mit dem Kauderwelsch der Kinder. Jean scherzt, ermahnt und tröstet grundsätzlich auf Englisch, und Belinda hilft mit Spanisch aus, wenn etwa der dreijährige Ramon nicht weiß, was er mit dem Wort "water" anfangen soll.
Böhmen bis El Salvador
Vor drei Monaten ist er mit seiner Mutter aus Mexiko gekommen, ohne Englisch, ohne Geld und nur mit der Adresse eines entfernten Verwandten, bei dem es für die Mutter angeblich Arbeit geben soll. Eine Einwanderer-Geschichte, wie man sie hier in Mount Pleasant im Norden Washingtons seit Jahrzehnten erzählt. Einst war hier in diesen Backsteinbauten für Tschechen und Slowaken die erste Anlaufstelle in der neuen Welt. Seit den Achtzigerjahren aber, als ein Bürgerkrieg El Salvador in blutiges Chaos stürzte, gehört das Viertel vor allem den Flüchtlingen aus diesem bettelarmen Bergland in Mittelamerika.
Dass jetzt immer mehr Mexikaner oder Äthiopier nachrücken, mag an Akzent oder Sprache etwas ändern, nicht aber an den immer gleichen Problemen und Sorgen. Ratten und Küchenschaben statt Fließwasser in der Wohnung, wegen Überschuldung gesperrte Kreditkarten, Papierkrieg mit den Behörden: Alltag für Rachel und Anabell von der privaten Hilfsorganisation "Carecen", die hier im Viertel eine der wichtigsten Anlaufstellen für die Menschen ist.
Trump ist das Thema
Ein Leben ohne Aufenthaltsgenehmigung oder US-Staatsbürgerschaft, das ist in den USA für Millionen von Menschen Alltag, und dieser Alltag lässt sich ziemlich gut organisieren. Die Jobs, die man ohne Papiere bekommt, sind zwar nicht gerade die besten, aber dafür fragt kein Arbeitgeber nach. Da es keine Meldezettel oder Ähnliches gibt, ist auch das Mieten einer Wohnung kein Problem. Führerschein, Bankkonto, all das lässt sich ohne Aufenthaltsgenehmigung organisieren. Sogar die örtlichen Steuerbehörden kassieren. Legal oder illegal, das ist Sache der US-Bundesbehörden, und mit der hat die lokale Bürokratie nichts zu tun.
So sind in Mount Pleasant viele Bewohner seit vielen Jahren ohne Papiere unterwegs. Das macht sie auch zu leichten Opfern, etwa für Hausbesitzer, die in einem Viertel, das nah am Stadtzentrum liegt, lieber Luxusappartements errichten würden, als alte Wohnungen zum regulierten Sozialtarif an "Illegale" aus El Salvador zu vermieten. Also gibt es auf einmal kein Wasser in den Wohnungen und hinterher einen unverständlichen Drohbrief von irgendeiner Anwaltskanzlei. "Die Leute kommen damit zu uns, weil sie sich wehrlos fühlen, und glauben, dass sie keine Rechte haben", erklärt Rachel, "wir machen ihnen klar, dass man auch mit einem illegal Eingewanderten nicht alles machen kann. Wir gehen für sie vor Gericht." Doch genau diese Rechte hat Trump jetzt offen in Frage gestellt. Die Drohungen des Populisten schwanken zwischen der, alle der geschätzten zwölf Millionen "Illegaler" aus dem Land zu werfen, oder zumindest jene, die eine Straftat begangen haben. "Wobei", erklärt Rachel, "es auch schon eine Straftat ist, ein Touristenvisum nicht verlängert zu haben."
Entschlossen zu wählen
Das reicht, um auch hier im Viertel die Menschen aufzuschrecken: "Viele Leute hier haben ihren Antrag auf eine Staatsbürgerschaft Jahr um Jahr aufgeschoben. Jetzt drängen sie sich bei unseren Kursen für Englisch und Staatsbürgerkunde."
Jene, die ohnehin legal im Land sind, haben sich zum ersten Mal um eine Wahlberechtigung gekümmert. Doppelt so viele wie bei der letzten Wahl haben diesmal bei Carecen um Hilfe für den Papierkrieg mit den Behörden angesucht. Und der kann in den USA mühsam sein. "Die Leute sind wild entschlossen", schildert Anabell stolz ihre Kunden: "Die wollen unbedingt wählen. Diese Motivation, das war wohl das Beste, was Trump bisher geschafft hat."
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