Illegal in die Unabhängigkeit? In Barcelona ist das jetzt vom Tisch
Nach den Wahlen steuern die Separatisten wieder eine Regierung an - aber unter deutlich gemäßigteren Vorzeichen.
15.02.21, 15:55
„Sit and talk!“: Demonstrativ auf Englisch richtete Pere Aragones seine Botschaft an die Regierung in Madrid. Und Madrid wird diese Botschaft wohl ernst nehmen müssen, auch wenn man sie wohl lieber auf Spanisch gehört hätte.
Zwar ist Aragones mit seiner ERC am Sonntag zwar nur Zweiter bei den Regionalwahlen in Katalonien geworden – hinter den Sozialisten – aber am Wort ist der 38-jährige Jurist wohl trotzdem. Die ERC vertritt den linken Flügel der Separatisten in Katalonien, also jener Bewegungen, die auf die Unabhängigkeit der Region von Spanien drängen und die die vergangenen Jahre auch dort regiert haben.
Separatisten-Bündnis
Auch jetzt kündigt sich eine Neuauflage eines solchen Bündnisses an. Politisch sind die Separatisten ein bunter Haufen, der von der konservativen und fanatisch antispanischen JuntsxCat bis zur linksradikalen CUP reicht. Letztere hat die Separatisten-Regierung in Barcelona bisher gestützt. Einig ist man sich in diesem Lager nur über das ebenso grundsätzliche wie langfristige Ziel: Unabhängigkeit von Madrid. Wie und wann man dort hinkommt, das sieht Aragones deutlich als die Separatisten der JuntsxCat, die bisher die Regionalregierung führten.
„Selbstbestimmung“
Es war kein Zufall, dass Aragones am Wahlabend das Wort „Unabhängigkeit“ nicht in den Mund nahm. Stattdessen sprach der ERC-Chef von „Selbstbestimmung“, die er mit einer „breiten“ Regierung ansteuern wolle. Eine Haltung, die deutlich nüchterner und sachlicher wirkt, als jene der separatistischen Hitzköpfe, die bisher bei den Separatisten das Sagen hatten: Der weiterhin im Exil in Belgien sitzende Carles Puigdemont und sein Stellvertreter Quim Torra, der zuletzt die Regierung in Barcelona anführte.
Pakt mit Sozialisten
Auch wenn Aragones in Barcelona mit den Separatisten regieren will, in Madrid hat er sich mit der Gegenseite zusammengetan. Dort unterstützt seine Partei die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sanchez.
Vertrauter von Regierungschef Sanchez
Sanchez selbst hat einen seiner Vertrauten als Spitzenkandidat in die Wahlen in Katalonien geschickt: Salvador Illa, der bis vor kurzem das Land durch die Corona-Pandemie manövrierte, zwar nicht fehlerfrei, aber dafür ruhig und ohne großes politisches Getöse. Das schätzt man in ganz Spanien und offensichtlich auch in Katalonien. Illa hat bei diesen Wahlen einen überzeugenden Sieg für die Sozialisten geholt: Erster Platz und eine Verdoppelung der Mandate.
Illa hat trotzdem kaum Aussichten, eine Regierung in Barcelona anzuführen. Doch als Chef der stärksten Partei wird er gehört werden – auch von ERC-Chef Aragones, mit dem er persönlich guten Kontakt hat. Separatistische Ausritte wie das illegale Referendum über die Unabhängigkeit 2017 sind von Aragones nicht zu erwarten. Man will zwar weiter in Richtung Unabhängigkeit steuern, aber mit legalen Mitteln und im Dialog mit Madrid.
Die meisten Katalanen hätten gerade inmitten der Pandemie-Krise andere Sorgen, urteilt die liberale katalanische Tageszeitung La Vanguardia: „Sie sind dem aggressiven Dauerkonflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit überdrüssig.“
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