Hugo Chávez und das nahende Ende einer Ära

Ein Jahr nach dem Tod des "ewigen Kommandanten" erlebt der Chavismus eine nachhaltige Krise.

Am 5. März 2013 verstarb einer der kontroversiellsten Staatsmänner unserer Zeit: Hugo Chávez. Kontroversiell vor allem deshalb, weil sein Erbe auch ein Jahr nach seinem Tod Venezuela spaltet. Präsident Nicolas Maduro verlieh seinem Ziehvater kurz nach dessen Tod den Titel "Comandante eterno". Die Botschaft war klar: Die Bolivarische Revolution sollte weitergehen - die Mission "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" noch nicht erfüllt sein.

Proteste gegen Kriminalität und Korruption

Doch der Chavismus bröckelt: Am Wochenende gingen erneut Tausende Menschen auf die Straße, um ihren Unmut gegen die Regierung zu äußern. Auslöser der Demonstrationen, die immer wieder zu Gewalteskalationen mit Straßenschlachten mit unzähligen Toten und Verletzten führte, waren steigende Lebenskosten, Korruption und die grassierende Kriminalität. Jene Getreuen, die gestern Chavez als "Soldat des Volkes" verehrten, errichten heute brennende Barrikaden (mehr dazu hier).

Mit Öleinnahmen und Verstaatlichungen finanzierte Chávez Alphabetisierungskampagnen, Sozialprogramme, baute Spitäler und Schulen. Die Verteilung der Güter wurde unter Chávez nachweislich gerechter. In seinen 14 Regierungsjahren verminderte Chavez die Armut von 49,4 auf 29,5 Prozent. Das dankte ihm die Volksmehrheit mit teils bedingungsloser Gefolgschaft. Die Chávez-Regierung schöpfte wegen sprudelnder Öleinnahmen aus dem Vollen. Das kam nicht nur der Bevölkerung im Land selbst, sondern auch den lateinamerikanischen Bruderstaaten zugute.

Fehlende Nachhaltigkeit

Chávez, der ursprünglich lieber Maler oder Baseballspieler geworden wäre, geht nicht nur wegen seines diktatorischen Führungsstils, sondern vor allem wegen seiner teils spektakulären Medienauftritte (siehe Bilder) in die Geschichte ein. Vorgeworfen wurde ihm auch eine Wirtschaftspolitik, die auf Nachhaltigkeit verzichtete. Eine positive Entwicklung Venezuelas rückte in den Hintergrund. Umstritten war auch sein Umgang mit Oppositionellen und Gegnern. Heute vor einem Jahr erlag der ehemalige "Soldat des Volkes" seinem Krebsleiden.

Hugo Chávez und das nahende Ende einer Ära

Zur Person

Hugo Rafael Chávez Frias wurde am 28. Juli 1954 im Bundesstaat Barinas als Sohn eines Dorfschullehrers geboren. Ursprünglich wollte er Maler werden, ging dann aber zur Armee, wo er auch als Fallschirmjäger diente. Sein Studium der Politikwissenschaft führte er nicht zu Ende.

Chávez war zwei Mal verheiratet und wurde zwei Mal geschieden. Er hatte vier Kinder und zwei Enkelkinder.

Der 50 Meter hohe Schrein in Venezuelas Hauptstadt Caracas war ein Herzensanliegen von Hugo Chávez. Um 140 Millionen Dollar neu gebaut, um den mit Gold und Perlen verzierten Sarg des südamerikanischen Unabhängigkeitshelden Simon Bolivar zu beherbergen. Jenes Idols, das Anfang des 19. Jahrhunderts die Unabhängigkeitsbewegung gegen die spanischen Kolonialherren anführte und seither in mehreren südamerikanischen Ländern als Nationalheld gilt. Und Chavez wusste genau: Bolivar war ursprünglich Venezolaner.

Die sterblichen Überreste Bolivars waren 2010 exhumiert worden. Lange war nicht klar, ob es sich bei der Leiche tatsächlich um jene des verehrten Befreiungskämpfers handelte. Erleichtert stellte Hugo Chávez fest: „Vater, Du bist hier bei uns, Du bist es.“

Der Präsident bewunderte Bolivar seit seiner Jugend wie eine Ikone. Er selbst sah sich auch als dessen Nachfolger. Von Venezuela sprach Chavez als „Bolivarische Republik“ mit Linksnationalismus, einem geeinten Südamerika und gerechter Verteilung als Maximen. „Bolivarismus“ als Doktrin.

Putsch

Am 24. Juli 1983, dem 200. Geburtstag des Freiheits-Idols gründete Chávez, damals junger Oberstleutnant, seine paramilitärische „Movimiento Bolivariano Revolucionario 200“-Bewegung. Dieses subversive Konglomerat führte er 1992 zu einem Putschversuch gegen den sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andres Perez, mit dem der Neoliberalismus in Venezuela Einzug gehalten hatte.

Doch Chávez’ Putsch misslang, er landete für zwei Jahre im Gefängnis – nicht ohne zuvor noch im Fernsehen zu verkünden: Gescheitert sei man nur vorläufig. Chavez, der seit dem Putschversuch den Beinamen „Hurricane Hugo“ trug, trat Jahre später auf demokratischem Wege das Amt des Präsidenten an. Und er vergaß nicht das Erbe Bolivars: Wann immer ein Säulenheiliger beschworen werden musste, kam der „Libertador“ ins Spiel. Mit den Einnahmen des Ölsektors setzte Chávez in Bolivars Tradition immer wieder Sozialprogramme für die Armen im Land durch. Und so werden nun viele Venezolaner Chávez verehren, wie er zuvor Bolivar: „Du lebst und wirst immer weiter leben in unserem Volk“.

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