Venezuela: Straßenkämpfe um das System Chávez

Zehntausende demonstrieren seit Wochen gegen die Regierung und Probleme im Land.
Hunderttausende auf den Straßen, das Land in Aufruhr: In Venezuela toben heftige Proteste. Nach Chávez ist das Land gespaltener denn je.

Bewaffnete Soldaten, Flammen, Verwüstungen: Die Bilder aus Venezuela dieser Tage sprechen eine eindeutige Sprache. Seit drei Wochen demonstrieren Hunderttausende für und gegen Präsident Nicolás Maduro: 15 Menschen wurden bei Zusammenstößen getötet, Hunderte verletzt, an die 700 Menschen verhaftet – vorneweg der wichtige Oppositionsführer Leopoldo López. Bald ein Jahr lang ist Hugo Chávez nun tot und sein Erbe, der Chavismus, beginnt sichtlich zu bröckeln.

Inflation, Kriminalität, Zensur

Der Comandante hat ein Land voller Probleme hinterlassen: Die Inflation zählt mit mehr als 50 Prozent zu den höchsten weltweit, Grundstoffe wie Toilettenpapier werden immer wieder knapp. Außerdem ist Venezuela von Korruption, ausufernder Kriminalität, Zensur und Behördenwillkür geprägt. Dagegen protestieren nun Opposition und Regierungskritiker.

Der Streit zwischen den sozialistischen Chavisten und konservativen Gegnern schwelt seit Jahren. Doch anders als Hugo Chávez agiert Maduro mitunter hilflos, sein Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Noch kann er aber auf die Unterstützung des Militärs und Regierungstreuer zählen. Die Opposition selbst ist außerdem gespalten, intern tobt ein Kampf um die Wortführerschaft. Nur im Protest gegen die Regierung liegt man auf einer Linie.

Den Protesten begegnet Maduro mit Repressionen und Gewalt, getreu dem Motto seines Vorgängers: "Patria, socialismo o muerte" (Vaterland, Sozialismus oder der Tod). Gegen die USA wird gewettert, US-amerikanischen Journalisten wird die Berichterstattung verboten: "CNN will unser Vaterland zerstören, damit sie unser Öl stehlen können", sagt Maduro. Der Regierungschef folgt verbal dem Stil Chávez' – auch ihm wurde diktaturähnliches Durchgreifen vorgeworfen –, nur mit bedeutend weniger Charisma und Personenkult. Maduro sollte den Chavismus ohne Chávez weiterführen, doch er scheint die Richtung verloren zu haben.

Karneval verlängert

Der Druck auf ihn wächst, eine Friedenskonferenz und ein "nationaler Dialog" sollten helfen, blieben aber aufgrund des Fernbleibens der Opposition ohne Erfolg. Am Mittwoch äußerten sich sogar die Vereinten Nationen besorgt über die andauernde Gewalt bei den Protesten. Als fast schon verzweifelter Akt ist nun die von Maduro verordnete Verlängerung des Karnevals zu werten. Mit einer längeren Ferienzeit rund um die Feiertage will er die explosive Stimmung im Land entschärfen, berichtet die spanische Zeitung ABC. Ob das funktioniert ist fraglich: "Es gibt nichts zu feiern", wurde seitens der Opposition skeptisch kommentiert.

In südamerikanischen Ländern werden die Entwicklungen in Venezuela noch wenig kommentiert. Ähnlich wie Russland im Fall der Ukraine, so wacht Kuba über den Verbündeten Venezuela: Castro fürchtet um sein billiges Öl. Die übrige Nachbarschaft schweigt. Länder wie Brasilien und Argentinien haben zu Hause mit eigenen Problemen zu kämpfen. Dabei ist die politische Ausrichtung Venezuelas für den ganzen Kontinent relevant: Von Caracas aus begann vor knapp 15 Jahren ein sozialistischer Siegeszug, der in verschiedensten Ausprägungen die Region dominiert. Fällt Venezuelas Chavismus könnte dies erneut eine Welle auslösen – nur diesmal in die andere politische Richtung.

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