Hollandes Krise eskaliert

Die Legitimitätskrise um Frankreichs Präsidenten Francois Hollande beschleunigt sich von Tag zu Tag. Wurde bisher die Frage erörtert, ob der sozialistische Staatschef bei Ablauf seines Mandats 2017 neuerlich zur Präsidentenwahl antreten könnte, wird nun auch in seriösen Medien diskutiert, ob Hollande seine jetzige Amtsperiode durchstehen kann.

Als Auslöser der jüngsten Krise wirkt das am Donnerstag erschienene Buch seiner Ex-Partnerin Valérie Trierweiler, das sich als Kassenschlager erweist. Hollande, der sich im Jänner von Trierweiler getrennt hatte, wird in dem Buch als chronischer Lügner dargestellt. In zwei kurzen Passagen behauptet Trierweiler, der Präsident würde sich über Arme und Behinderte verächtlich äußern. Obwohl diese Passagen nicht sehr glaubwürdig wirken, haben sie einen Nerv getroffen. Bei einer Umfrage erklärten ein Drittel der Linkswähler, durch dieses Buch habe sich "das Bild, das sie sich von Hollande machten, verschlechtert".

Schon zuvor hatte Hollande die innenpolitische Staatsführung Frankreichs faktisch an Premier Manuel Valls, einen rechten Sozialdemokraten, abgetreten. Valls will sozialpolitische Grundsätze der Linken, für die Hollande eingetreten war, zugunsten Unternehmer- und Investoren-freundlicher Maßnahmen kappen.

Dazu kam jetzt der Rücktritt des Staatssekretärs für Außenhandel, nur neun Tage nach Antritt der neuen Regierung, wegen Steuerhinterziehung. Dabei war der Mann einer der Leiter der Parlamentskommission zur Bekämpfung von Steuerbetrug. Das erinnert an die Demission des SP-Finanzministers Jerome Cahuzac 2013, der Gelder in der Schweiz gebunkert hatte.

Hollandes frühere Wähler ohne Halt

Ein großer Teil der einstigen Wähler von Hollande haben jeden Halt verloren: sie addieren diese Affären, den Kurswechsel der Staatsführung und die Vorwürfe von Trierweiler, Hollande sei ein Falschspieler, und fühlen sich verloren. Ohne soweit zu gehen, glauben auch etliche SP-Abgeordnete, dass die Politik von Valls die Armen opfere.

Valls wird sich am 16.September einem Vertrauensvotum im Parlament und danach noch weiteren heiklen Abstimmungen stellen, bei denen ihn die SP-Abgeordneten zu Fall bringen könnten. Das einzige Mittel die SP-Abgeordneten bei der Stange zu halten, ist die Angst vor dem "möglichen Tod der Linken" (so Valls) und einem Durchbruch der Rechtspopulistin Marine Le Pen bei Parlaments-Neuwahlen. Hollande kann laut jüngster Umfrage nur mehr mit 13 Prozent Zustimmung rechnen. Käme eine verheerende Niederlage der SP bei vorverlegten Parlamentswahlen dazu, wäre sein Verbleib formal möglich aber politisch extrem schwierig.

Bei Präsidentenwahlen würde laut jüngster Umfrage Marine Le Pen im ersten Durchgang die relative Mehrheit (zwischen 28 und 32 Prozent) erringen – obwohl inzwischen auch Rathäuser, die von ihrer Partei erst im März erobert wurden, von Skandalen erschüttert werden. In der Stichwahl, so die Umfrage, würde Le Pen mit 54 Prozent Hollande besiegen. Aber im viel wahrscheinlicheren Fall eines Duells mit einem der beiden aussichtsreichsten bürgerlichen Kandidaten, nämlich Ex-Präsident Nicolas Sarkozy oder Ex-Premier Alain Juppé, würde die Nationalistin mit 40 beziehungsweise 36 Prozent unterliegen.