Die von dem psychisch gestörten Amokläufer Adam Lanza am 14. Dezember 2012 in der Kleinstadt im Bundesstaat Connecticut benutzte Waffe, ein Gewehr vom Typ Bushmaster AR-15, durch das 20 Erstklässler und sechs Lehrkräfte starben, wurde von Remington nach den Worten von Dylan Hockleys Mutter Nicole so beworben: „Mit skrupellosem Marketing, das gefährdete und gewaltbereite junge Männer wie Adam Lanza ansprach.”
Den Nachweis dafür pressten die Opfer-Familien dem seit Sandy Hook zwei Mal verkauften, insolvent gewordenen und schwer in Misskredit geratenen Konzern gerichtlich förmlich ab. Remington musste interne PR-Strategien zum Verkauf der zivilen Variante des M16-Maschinengewehrs der US-Armee herausgeben.
Dabei war schon die frei zugängliche Werbung reißerisch-militant. Das Bushmaster AR-15 wurde als „ultimatives Gefechtswaffen-System” beschrieben. „Kräfte des Widerstands beugen sich nieder”, wenn man den Abzug betätigt. Wer das Gewehr kauft, dürfe sich eines „neues Ausweises für Männlichkeit” gewiss sein. Wer noch keins habe, sei kein echter Mann.
Soldaten müssen für eine solche Waffe lange trainieren
In den Händen von Psychopathen wie Lanza würden solche Macho-Waffen leicht zu „Mörder-Maschinen”, argumentierte der Anwalt der Opfer-Eltern, Joshua Koskoff, der Remington vor nunmehr acht Jahren verklagte. Sein Schlüssel-Argument: Bevor ein Soldat ein M16 benutzen darf, muss er allein im Einstiegskurs 100 Stunden Training absolvieren. Otto Normalverbraucher, die die halbautomatische Version für Zivilisten haben wollen, gehen einfach ins nächste Waffengeschäft und kaufen sich eins. „Fahrlässiger geht es kaum.” Koskoffs Überzeugung: Remington trifft erhebliche Mitschuld an der Tragödie.
Nie und nimmer, argumentierte die Firma und stützte sich auf ein 2005 von Präsident George W. Bush unterzeichnetes Spezialgesetz. Der „Lawful Commerce in Arms Act” gibt Waffenschmieden nahezu vollständige Immunität. Niemand darf gegen sie klagen, wenn mit ihren Waffen Verbrechen geschehen.
Ausnahme: „negligent entrustment”. Auf Deutsch in etwa: „fahrlässiges Anvertrauen”. Wenn der Waffenkonzern weiß (oder wissen müsste), dass der Käufer das Produkt benutzen wird, um Menschen zu verletzen, sind Klagen möglich.
Genau das hatten die Obersten Gerichte in Connecticut und Washington DC beglaubigt - und damit den Weg freigemacht für die aktuelle Flaggschiff-Entscheidung, die nach Ansicht von Branchen-Insidern die Werbe-Abteilungen aller Waffen-Hersteller „auf den Kopf stellen wird”, die ihre zivilen Produkte oft wie aggressive Kriegs-Ware feilbieten.
Biden nennt Urteil "historisch"
Bei jährlich Dutzenden Massenschießereien in den USA, bei denen regelmäßig Gewehre vom Typ AR-15 zum Einsatz kommen, würden künftig auch andere Opfer-Angehörige die Industrie „massiv finanziell belangen wollen". Im Fall Remington, das keine Schuld eingesteht, zahlen vier Versicherungen des Unternehmens.
US-Präsident Joe Biden, der bisher erfolglos blieb bei dem Versuch, die Waffengesetze zu verschärfen, nannte die Entscheidung historisch: „Auch wenn dieser Vergleich den Schmerz dieses tragischen Tages nicht auslöscht, so beginnt er doch mit der notwendigen Arbeit, die Waffenhersteller für die Herstellung von Kriegswaffen und die unverantwortliche Vermarktung dieser Schusswaffen zur Verantwortung zu ziehen.”
Ian und Nicole Hockley, denen es „nie ums Geld ging, weil es Dylan nicht zurückbringt”, zeigten sich zehn Jahre nach der Tragödie erleichtert. Waffen-Hersteller, Versicherungen und Banken, sagen sie, wüssten nun, dass „sie in einem Hoch-Risiko-Markt arbeiten - und dass sie zur Rechenschaft gezogen werden”.
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