Merkels 9-Punkte-Plan im Faktencheck

Merkels 9-Punkte-Plan im Faktencheck
Mehr Personal, ein Frühwarnsystem, Abschiebungen in Krisenregionen - was ist daran neu?

Neun Punkte für mehr Sicherheit hat Angela Merkel als Konsequenz aus den Attentaten in Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach vorgestellt - "alles Menschenmögliche" wolle die Regierung tun, um die Bürger zu schützen, sagte sie (mehr dazu hier). Doch: Wie neu und wie leicht umsetzbar sind die Ankündigungen überhaupt?

1) Ein Frühwarnsystem für radikalisierte Täter: Alle vier Attentäter, ganz egal, ob nun islamistisch radikalisiert, geistig verwirrt oder rechtsradikal, waren unter dem Radar der Behörden. Ein System, um solche Menschen von potenziellen Taten abzuhalten, soll nun entwickelt werden - wie das genau gehen soll, ließ Merkel allerdings offen.

2) Mehr Sicherheitspersonal: Während das Frühwarnsystem tatsächlich eine Neuerung ist, ist die Personalaufstockung ein alter Hut. Dass die Bundespolizei 3000 zusätzliche Beamte bekommen soll, ist bereits seit dem Vorjahr in Planung - bis die Zahl erreicht ist, vergehen wegen der Ausbildungszeit aber noch etwa drei Jahre. Alle anderen Aufstockungen kann der Bund nicht beeinflussen - die Polizei ist in Deutschland großteils Ländersache und da wiederum von Budgetspielräumen abhängig.

3) Eine neue Sicherheitsbehörde zur Internet-Überwachung: Das hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bereits im Juni angekündigt - die neue Stelle soll Techniken zur Überprüfung von Kommunikation im Internet und über Messenger-Dienste entwickeln; damit will man vor allem verschlüsselte Botschaften wie etwa jene über Telegram knacken - über die App kommunizieren viele IS-Anhänger. Die neue „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“, kurz Zitis, sollte eigentlich 2017 mit rund 60 Mitarbeitern ihre Arbeit aufnehmen, Kanzlerin Merkel will den Startzeitpunkt nun nach vorn verschieben.

4) Bundeswehr auf Anti-Terror-Einsatz im Inland: Der "Einsatz im Inneren" ist ein in Deutschland seit Langem heiß diskutiertes Thema - wegen der NS-Vergangenheit galt ein Einsatz des Militärs innerhalb der Grenzen lange als Tabu. Jetzt hat man das aufgeweicht, allerdings schon vor den jüngsten Anschlägen. Im kürzlich verabschiedeten Weißbuch zur Sicherheitspolitik haben sich CDU und SPD darauf verständigt, dass die Bundeswehr bei größeren Terroranschlägen eingesetzt werden kann - auch ohne eine Änderung des Grundgesetzes, das dies eigentlich verbietet. Möglich sind nicht nur Großübungen, die nun in zwei Bundesländern stattfinden werden, sondern auch Evakuierungsmaßnahmen oder medizinische Versorgung; der Einsatz von Waffengewalt ist ausdrücklich untersagt.

5) Mehr Forschung zu Radikalisierung und islamistischem Terror: Auch das wurde bereits vage angekündigt - alle bestehenden Forschungsprojekte sollen jedenfalls weitergeführt, vielleicht sogar erweitert werden.

6) EU-Vernetzung von Anti-Terror-Dateien: Das wird bereits seit Jahren geplant, ist aber in der Umsetzung nicht ganz einfach. Bei weitem nicht alle Länder sind bereit, ihre Daten auszutauschen - das wird beim EU-Gipfel am 16. September Thema sein.

7 ) Das neue EU-Waffenrecht: Auch hier hat die Regierung Merkel wenig Einfluss - das neue europäische Waffenrecht ist schon auf einem guten Weg, aber noch nicht verabschiedet. Die Kommission hatte direkt nach den Anschlägen von Paris im November Vorschläge dafür vorgelegt, die EU-Staaten haben den Kompromiss aber wieder aufgeweicht. Geplant ist, den Online-Handel zu erschweren - Stichwort Darknet - und eine Registrierungspflicht für "wesentliche Waffenbestandteile" vorzuschreiben. Zudem sollen unbrauchbar gemachte Waffen nicht dazu benutzt werden können, um daraus wieder funktionsfähige Gewehre oder Pistolen herzustellen.

8) Mehr Kooperation der Nachrichtendienste: Die Zusammenarbeit mit "befreundeten Diensten", wie Merkel sagt, soll ausgebaut werden - das ist eine recht leere Worthülse, weil die Kooperationen sich oft schwierig gestalten - siehe NSA-Affäre.

9) Abschiebungen in Krisenregionen: Hier hat die Kanzlerin ein großes Fass aufgemacht. Schon länger wird auf Betreiben der CSU diskutiert, abgelehnte Asylbewerber im Zweifelsfall auch in Krisengebiete abzuschieben - wie etwa nach Afghanistan und Nordafrika. In puncto Nordafrika hat das bereits zu einem Zerwürfnis geführt, weil der Bundesrat unter Blockade der Grünen diesem Plan nicht zustimmen wollte; bei Afghanistan ist auch eine Auseinandersetzung innerhalb der Koalition abzusehen.

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