Himmelfahrtskommando für neue Regierung in Paris

Frankeichs neuer Premier Valls will die Sozialausgaben senken.
Das Vertrauensvotum ist unsicher. Präsident Hollande droht mit Neuwahlen.

Die Mission der soeben ernannten, rein sozialistischen Regierung (nach Ausscheiden der grünen Koalitionspartner), gleicht einem Himmelfahrtskommando. Ihre Überlebenschance könnte schon am Dienstag auf die Probe gestellt werden, wenn der neue Premierminister, Manuel Valls, sich im Parlament dem üblichen Vertrauensvotum stellen wird. In seiner programmatischen Antrittsrede wird Valls voraussichtlich verstärkte Sparpläne und den so genannten „Pakt der Verantwortung“, der vor allem auf eine Abgabensenkung für Unternehmer zielt, ankündigen. Bis zu einem Drittel der SP-Abgeordneten lehnen diesen Pakt aber ab. Ein Teil von ihnen erwägt daher eine Stimmenthaltung beim Vertrauensvotum.

Die SP alleine verfügt aber nun, ohne den Grüne, nur mehr über eine winzige Mehrheit in der Nationalversammlung (dem französischen Unterhaus). Es ist daher nicht völlig ausgeschlossen, dass die Regierung von Valls an diesem Vertrauensvotum scheitert. Für diesen Fall hat Präsident Francois Hollande bei inoffiziellen Treffen mit SP-Politikern damit gedroht, die Nationalversammlung aufzulösen und Parlaments-Neuwahlen zu organisieren.

„Pakt der Verantwortung“

Der von Präsident Hollande initiierte „Pakt der Verantwortung“, dem ein Teil der Sozialpartner zugestimmt hat, soll die erlahmte Wettbewerbskraft der französischen Unternehmen und das schwächelnde Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln. Im Gegenzug winkt die Rettung von Jobs beziehungsweise Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen und neuen Qualifizierungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer. Damit dieses Maßnahmenpaket nicht als einseitige Begünstigung der Unternehmer erscheint, beabsichtigt die Regierung auch eine leichte Senkung der Sozialabgaben für mittlere und niedrige Einkommenskategorien der Arbeitnehmer.

Der Löwenanteil des geplanten Abgabenabbaus gilt freilich den Wirtschaftstreibenden. Rechnet man die bereits im Vorjahr beschlossenen Steuersenkungen dazu, wird das Fiskalaufkommen der Unternehmer in Frankreich um insgesamt 40 Milliarden Euro sinken. Das ist eine Wende: ursprünglich hatte Präsident Francois Hollande, nach seiner Amtsübernahme 2012, die Abgaben der Unternehmer um 17 Milliarden Euro erhöht. So wie sein bürgerlicher Vorgänger, Nicolas Sarkozy, der die Besteuerung der Wirtschaftstreibenden bereits um 15 Milliarden angehoben hatte.

Steuern rauf und runter

Gegen Ende seines Mandats hatte Sarkozy aber jene steuerlichen Erleichterungen für Unternehmer geplant, die nunmehr Hollande, mit Verspätung, umsetzen möchte. Dieser Kurs ist eine Reaktion auf eine alarmierende Entwicklung: die Zahl der Arbeitslosen, die schon vor dem Amtsantritt von Hollande im Anstieg war, ist seither um fast eine halbe Million auf ein Rekordniveau von 3,3 Millionen angewachsen. Frankreichs Exportbilanz ist unter das Niveau Italiens und Spaniens gesunken. Kaufkraft der Franzosen und Wirtschaftswachstum (0,1 Prozent im ersten Trimester 2014) schwächeln wie kaum zuvor.

Der deklariert sozialliberale Premierminister Valls sieht die Ursache dafür im Übergewicht der öffentlichen Ausgaben (57 Prozent des BIP, der Höchstrekord in der Euro-Zone) und der Steuern (46,1 Prozent des BIP). Jedenfalls hängt das Debakel der SP bei den Gemeindewahlen auch mit der Steuerflut zusammen, die mittlere Einkommenskategorien und auch einen Teil der Niedrigverdiener traf. Insgesamt erhöhten sich die Steuern auf die Haushalte in den letzten vier Jahren, also unter Sarkozy und Hollande, um 30 Milliarden Euro.

Neben einem Gehaltsstopp im öffentlichen Dienst waren die Steuererhöhungen das wesentlichste Mittel des Defizitabbaus in Frankreich. Jetzt, so hat Hollande nach der Wahlniederlage der Sozialisten bei den Gemeindewahlen versprochen, soll auch eine rasche Steuersenkung für Arbeitnehmer greifen.

Aufschub beim Defizitabbau

Möglich wäre das nur durch ein schärferes Abschlaken des Verwaltungsapparats und des Sozialsystems. Bis zu seinem Mandatsende 2017 will Francois Hollande Einsparungen in der Höhe von 50 Milliarden Euro verwirklichen. Das entspricht auch dem wirtschaftspolitischen Kurs, für den Manuel Valls schon seit längerem innerhalb der SP eintritt.

Allerdings sollen diese Ersparnisse in erster Linie der französischen Wirtschaft zugutekommen. Bei Frankreichs Staatsschuld (95 Prozent des BIP) und dem Budgetdefizit (4,3 Prozent des BIP), die aus Sicht der EU-Kommission viel zu schleppend abgebaut werden, soll in Brüssel ein neuerlicher Aufschub erwirkt werden. Da will Valls in die Fußstapfen jenes Politikers treten, dem er in Europa wohl am meisten ähnelt: dem neuen italienischen Premier Matteo Renzi, der auch, im Austausch gegen wirtschaftsfreundliche Strukturreformen, für eine Lockerung des EU-Fahrplans beim Schuldabbau besonders forsch eintritt.

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